In der Statistik der Chronik der Stadt
Namslau werden im Jahre 1862 als Einwohner 239 Personen jüdischen Glaubens angegeben.
Ihre Synagoge wurde etwa 1856 in der Bahnhofstraße erbaut. Sie wurde in der Nazizeit
angezündet und als Lagerraum benutzt. Der jüdische Friedhof befand sich in
der Nähe des Wasserturmes beim Viehmarkt und blieb bis 1945 erhalten. Um 1930
lebten in Namslau, unter anderem, folgende Familien:
1.) Bandmann
Otto, Parkstr. Er ist in Namslau gestorben
und hatte eine Federfabrik in der Nähe des Turnplatzes am Eierbergel. Die Bettfedern
wurden überwiegend in Polen gekauft und in Namslau weiterverarbeitet. Seine Frau
stellte Schmuckfedern her und hatte zeitweise eine Bettfederreinigung.
2.) Dr. Cohn,
Sanitätsrat in der Bahnhofstr. Er war sehr beliebt und konnte 1939 mit seiner
Gattin in die USA kommen wo er fast 80jährig 1944 verstorben ist. Sein ältester
Sohn Heinz G. Cohn, Arzt, ist am 8.4.1980 in den USA verstorben. Der jüngere Sohn
Hans H. Cohn, Dr. med. et Dr. med. vet. lebt noch in den USA.
3.) Bielschowsky- Familie,
Albert gehörte das Bekleidungshaus am Ring, gegründet 1838.Max und Willi
waren Inhaber des Bankhauses S. Bielschowsky AG Breslau und Namslau, Ring 8. Diese
wurde später in die Mittelschlesische Bank AG umgewandelt. Aktionäre waren
teilweise Großgrundbesitzer. Außerdem betrieb die Familie einen Kohlenhandel
in der Wilhelmstraße. Toni, eine Tochter von Willi, gab 1927 als diplomierte
Gymnastiklehrerin Gymnastikunterricht. Anmeldung bei Ernst B., Ring 7.
In Breslau war Alfred B. ein bekannter Professor für Augenheilkunde. Dieser verließ
Deutschland etwa 1936 und seine Verwandten in Namslau folgten im 1937 nach Palästina.
4.) Glaser Gebrüder,
sie hatten am Ring ein Textilfachgeschäft. Ein Nachkomme lebte um 1970 in Köln.
5.) Guttmann Kurt,
in Reichthal geboren, hatte zuletzt in Namslau eine Fenster- und Türenfabrikation,
in der Poststraße ein Tischlergeschäft (Möbel und Särge) und in
der Bahnhofstraße für einige Zeit einen Laden für Jagdwaffen und Zubehör.
Er war ein bekannter Jäger und Schütze und trotz eines Glasauges auch erfolgreich
als Tontaubenschütze.
6.) Heidemann Arthur
betrieb zusammen mit S. Hamburger einen Getreidehandel am Ring.
7.) Herzmann, Viehhändler, hauptsächlich Pferde. Im 1. Weltkrieg ausgezeichnet,
hatte 2 Töchter und 1 Sohn. Er verstarb in Holland. Sein Sohn Georg verstarb bei
einem seiner regelmäßigen Besuche bei der Narnslauer Familie Burda am 20.12.1962
in seinem Stamm-Hotel in der Nähe Bonns an Herzversagen.
8.) Holländer Salo,
hatte in der Krakauerstraße ein Geschäft für modisches Zubehör.
9.) Lewy, Frau,
heiratete den Viehhändler Müller und verließ Namslau rechtzeitig. Sie
lebte in den USA. Ihr Sohn kam einmal zum ,Namslauertreffen nach Nürnberg.
10.) Messes,
kam nach dem 1. Weltl krieg aus dem Osten nach Namslau und war in der Andreaskirchstraße
Uhrmacher.
11.) Schifftan - Familie,
Klosterstraße. harte ein Textilgeschäft und ist nach Südamerika ausgewandert.
Die Tochter Ahna Strumpfner hatte am Ring ein Geschäft für Modellkleider
und starb in einem KZ.
12.) Siedner Ludwig,
Klosterstr. 8, war ein rühriger Klempner und Dachdecker. Die kath. Kirche hat
er mit einem sehr großen Preisnachlaß neu eingedeckt. Seine beiden Töchter
haben gut gestellte Männer geheiratet. 1937 wanderte er nach Pälästina
aus. Sein Haus wurde für 45.000 Mark verkauft, wovon 30.000 Mark als Auswanderungssteuer
an den Staat gezahlt werden mußten.
13.) Tichauer - Gebrüder
betrieben in der Krakauerstraße ein Haushaltswarengeschäft. Sie waren gut
gestellt und sind rechtzeitig aus Namslau ausgewandert.
14.) Tischler - Gebrüder
hatten in der Schützenstraße eine Lederhandlung und in der Parkstraße
eine Villa. Die Tochter lebt in Argentinien. Das Geschäft übernahm nach der
Auswanderung der Lederhändler Lehmann.
15.) Dr. Karl Oelsner,
Amtsgerichtsrat am Namslauer Amtsgericht, kam etwa 1960 aus Israel nach Hannover zurück.
Dort ist er am 5.6.1974 verstorben.
Das Bankhaus Bielschowsky mußte von Zeit zur Zeit eine Art Schutzgeld an die
SA- SS zahlen. Kunden fühlten sich beim Betreten der jüdischen Geschäfte
beobachtet usw.. Fast alle jüdischen Familien haben Namslau rechtzeitig verlassen
und sind einer Verhaftung und deren Folgen entkommen. Dr. Hans Cohn schrieb 1958 an
den 1. Vorsitzenden der Namslauer Heimatfreunde e.V. folgendes: "Meine Anhänglichkeit
an die alte Heimat ist unverändert. Vielleicht hat meine Tätigkeit als Psychiater
mir geholfen, zu verstehen, daß Irrungen und Wirrungen und emotionelle Störungen
von ganzen Nationen und Gruppen nicht anders zu beurteilen sind als die gleichen Symptome
in einem gestörten Menschen. Es ist traurig zu sehen, zu welchem Unheil und Unglück
all das geführt hat, aber für Rache oder Vergeltung ist kein Platz, jedenfalls
nicht meiner Meinung nach."
Manfred Klisch
Quellen und Schrifttum:
Chronik der Stadt Namslau, W. Liebich 1862
Namslauer Heimatruf Nr. 7 u. 10
Aussagen von 2 Namslauern, Arthur Kalkbrenner, Jahrgang 1899, und Johannes Quak, Jahrgang
1909
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