Pfingsten in der Heimat
- Erinnerungen und Träumereien -


Blauer Himmel, weißgraue Wölkchen, Frühlingsgrün, blütenstrotzende Bäume und Sträucher, Fliederduft, dazu eine sommerlich warm strahlende Sonne gehörten zu einem richtigen Pfingsten; und - um es vorweg zu nehmen -auch am 2. Feiertag manchmal ein zünftiges Frühlingsgewitter mit Blitz und Donnerschlag.
Wie war doch unsere Heimatstadt, waren unsere Dörfer so besonders schmuck zu Pfingsten, als hätte alles ein festliches Kleid angelegt ! Wie reckte sich stolz der Rathausturm im Flattern der lustig wehenden Flaggen, als sei er der Bürgermeister selber, der Heerschau halten wollte über Häuser und Bürger; weit ins Land blickend über Weidebruch, Wiesen, Felder und Wälder bis hin in das Weichbild freundlicher Bauerndörfer. Grüßte er nicht gleichsam die aus allen Richtungen sich nahenden Besucher unserer Stadt und die vielen an den Pfingsttagen durchfahrenden Fremden mit einladend wohlwollendem Blick !
Wer von der Breslau-Oelser-Straße in die Stadt fuhr, war schon angenehm berührt durch die blühenden, saftigen Wiesen, die sich beiderseits des träge dahinfließenden Weide-Flußes ausbreiteten und den Kranz der baumbestandenen Promenaden, den parkartigen Gärten mit blühenden Fliederbüschen, Bäumen und in buntem Frühlingsschmuck stehenden Ziersträuchern.
Behäbig-trutzig reichte sich an dieser Stelle der Stadt die mittelalterliche Burg - Zeuge einer wehrhaften Zeit - die Hand mit dem neuzeitlichen Industriezeitalter, der Großbrauerei Haselbach.
An den Feiertagen erinnerte nichts an die sonstige Betriebsamkeit des Alltags der Brauerei; höchstens, daß an der Verladerampe noch Bierfässer oder Bierkästen einem Landgastwirt herausgegeben wurden oder am Maschinenhaus ein "angeschwärzter" Heizer vor der halbgeöffneten Tür sich den schönen Pfingsttag besah. Er verdrückte sich aber, wenn "der alte Herr" (Paul Haselbach) mit seinen Möpsen im Gefolge von Braumeister oder Brauführer, mitunter auch mit dem "jungen Herrn", im würdigen Komerzienratschritt das Fabrikgelände auf Ordnung und Aufgeräumtheit prüfend durch-schritt.
Und wie leutselig war er da !
Kein Wunder, es gab nichts zu beanstanden; der Sonntagsbetrieb lief, und das "köstliche Gebräu" würde auch laufen in Bierleitungen und durch Män­nerkehlen bei Pfingsttagen, die anscheinend sommerliche Temperaturen erreichen würden.
Und der Braustüblwirt, Johannes Müller, war nicht minder optimistisch, wenn er am Lokaleingang einige Minuten verschnaufte und Luft schöpfte, den Autodurchgangs- verkehr beobachtend musterte, die schon parkenden Kraftwagen zählte und dann verschwindend der nimmermüden "Muttel Müller" und dem Personal freudig in die Hände klatschend, sie zu flotter Arbeit anspornend zurief: Heut wird ein Großkampftag !
Wie recht er behielt, konnte man gegen Abend sehen, wenn vor dem Braustübl, gegenüber und z.T. im Fabrikhof Auto an Auto parkte, und im Lokal kaum ein Durchkommen war.
Und wie schön lag doch die geräumige, jedoch nicht protzig wirkende "Villa Haselbach" umgeben von üppig wuchernden Trauerweiden, Nadel- und Laubbäumen, blau und weiß blühenden Fliederhecken !
Wer von Osten oder Süden kommend unsere Stadt berührte, wurde nicht minder feiertagsfreundlich empfangen. Baumbestandene Eingangsstraßen blühender Rotdorn, gepflegte Vorgärten, parkartig wirkende Friedhöfe mit alten Bäumen mit wucherndem Strauchholz führten in die Stadt.
Vorbei gings an dem zum Schmuckstück gestalteten Platz an dem tiefliegendem Walketeich auf dem ein Schwanenpaar gemessen seine Kreise zog, fein geputzt im blütenweißen Federkleid.
An der westlichen Uferseite aber lugte bescheiden noch ein Stück Alt-Namslau herüber; alte, niedrige Fachwerkhäuser mit kleinen Vorgärten, in denen die Pfingstrosen (Paeonien) ihre prachtvollen Blüten zeigten, ebenso dunkelvioletter Flieder und weißer Schneeball. Traulich wirkten die niedrigen Eingangstüren, von Lindenzweigen eingerahmt dazu in strahlendem Sonnenschein die glänzenden rubinroten, blauen und goldenen Glaskugeln auf kurzen Stangen im Vorgarten.
Wer aber auf der "Hohen-Brücke" stand, konnte die Frühlingsherrlichkeil in der Gärtnerei Blaser nicht übersehen und seinen Blick schweifen lassen weithin über die grünen Felder an den "Stadtscheunen" bis hin zum Czisog. Wer hat hier nicht einmal im Frühling Leberblümchen gepflückt ?
Und eine besondere Augenweide waren die oft gerade zu Pfingsten in voller Blüte prangenden Kastanien mit den weißen und roten Kerzen, die ins besondere am Turnplatz und an der Weideschlößl-Promenade eine viel bewunderte Zierde unserer Stadt waren,
Überhaupt waren die gepflegten Promenaden in Anlehnung an die alte Stadtmauer und den Wall ein Stück Romantik rings um die Stadt. Wer ein Auge dafür hatte, erfreute sich nicht nur am Grün und Blühen der Bäume und Sträucher, sondern entdeckte auch manchen malerischen Winkel und Durchblick. Wie traulich-anheimelnd wirkten doch die von keiner Menschenhand angepflanzten Birkenbäumchen auf der Stadtmauer oder das bescheiden blühende Fliederbäumchen auf dem Gemäuer des Krakauer Tores!
Ja Birkengrün und Flieder gehörten auch zum Schmuck der Häuser! Vor dem Pfingst- sonntage konnte man Väter mit ihren Kindern oder auch Jungengruppen an den Ufern der Weide beobachten, - andere wieder mit dem Stoßkahn fahrend, - wo sie Calmus schnitten,um die Hauseingänge zu schmücken.
In früheren Zeiten, und da wieder vornehmlich in ländlichen Gegenden, wurden auch Calmuszweige in die frisch gescheuerten, mit feinem Sand bestreuten Hausflure und Wohnstuben ausgelegt; vielleicht wegen des aromatischen Geruchs.
In den Dörfern war es auch üblich die Stalltüren und die Vorlauben der Wohnhäuser (Veranden) mit Birkengrün oder Calmuszweigen zu schmücken. Und an manch einen Hauseingang wurden Birkenbäumchen gestellt als ein Ausdruck der Freude und des wiedererwachten Lebens in der Natur.
Die Altäre der Kirchen prangten im Schmuck der weißen und violettblauen Fliedersträuße und der Pfingstrosen und erfüllten mit ihrem Duft den fei-erlich anmutenden Kirchenraum.
Und wie festlich-feierlich riefen die Glocken zum Pfingstgottesdienst ! Und wie strömten alt und jung den Gotteshäusern zu, die geheiligten Räume füllend bis in den letzten Winkel, Und manch altes, abgearbeitete "Muttel" - im besten Sonntagsstaat mit dunklem Rock und knopfbesetzter Jacke, das lange Kopftuch umgelegt oder auch den schwarz- grauen Strohhut mit schwarzem Band aufgesetzt, das große Gesangbuch mit dem goldenen Kreuz unter dem Arm tragend - erreichte abgehetzt in letzter Minute die überbesetzte Kirche, und machte seinem Erstaunen Luft mit den schlichte Worten; Ach, Herr je, schunn so vull!
Aber der aufmerksame Küster "schachtelte" die Zuspätkommenden immer noch ein. Und vor den Kirchen und in deren nächster Nähe hielten die meist offenen Kutschwagen der wohlhabenden Bauern oder die "Herrschaftskutschen" - letztere mit dem Kutscher in Livree, der, sich langweilend, mit­unter den letzten Rest eines Zigarrenstummels quälend und die ungeduldig scharrenden Pferde beruhigend, auch einmal in schnellem Trab den "Braunen" mit einer Runde ums Häuserviertel Bewegung verschaffte.
Und dann öffneten sich die Kirchentüren unter den jubelnden Orgelklängen, Das Gotteshaus leerte sich, eine frohgestimmte Festtagsgemeinde strebte durch die Straßen, teils eilig, teils bedächtigen Schrittes, den Wohnungen zu. Der große Strom ergoß sich über den Ring, der in der Kirchzeit leer oder kaum belebt war.
Aber hier blieb ein Teil der Jugend schon zum "Ringbummel" hängen; sei es die duftigen Kleider bewundern zu lassen, Verabredungen für den Nachmittag zu treffen oder wie in Vorkriegszeiten den Klängen der uniformierten Stadtkapelle zu lauschen, die unter Emil Bochnings Stabführung ein Platzkonzert bot.
Ja, die Feiertage waren für die Stadtkapelle und ihren Kapellmeister anstrengende Tage! Im Hof des Bochnig'schen Grundstücks standen schon die mit Birkengrün noch unbespannten Pferdeomnibusse, auch Kremser genannt, um die "Musikschule" auf die Dörfer zum Pfingstkonzert mit anschließendem Tanz zu bringen. Das waren schöne Zeiten, und bescheiden und doch froh und zufrieden waren die Menschen.
Von den Glanzzeiten unserer Stadtkapelle war in letzter Zeit nur noch der alte Kremser - auch dieser schon "zerschlettert" und gebrechlich - geblieben, der bis in die letzten Jahre einsam und vergessen in einer Ecke des Hofgrundstücks vergangenen Zeiten nachträumte.
Viele Familien hatten zu Pfingsten Besuch. Am Pfingstsonnabend,am Nachmittag oder auch am Abend, wurde er am Bahnhof abgeholt. Da standen die Wagen aus den Dörfern, um die Verwandten oder Bekannten, die aus der "Fremde" anreisten, abzuholen, die dann am Ende der Feiertage mit "Freßpaketen vom Lande" die Rückreise wieder antraten.
Am Bahnhofszaun, im Bahnhof und an der Bahnhofspromenade stauten sich die frohgelaunten Bürger in Erwartung des Pfingstbesuchs; nicht zuletzt auch viele Neugierige, denn am Bahnhof gab es immer etwas zu sehen und zu hören.
Das Besuchsbild unserer Stadt wurde bunt belebt durch die Soldatenurlauber, unter denen die Matrosen der Kriegsmarine in einer Stadt des Bin­nenlandes besonders auffielen. Wer aber zu der alten Generation gehört, erinnert sich gern der Zeit, wo die Urlauber der verschiedenen Waffen­gattungen in ihren schmucken Uniformen aus farbigem Tuch das Stadtbild belebten.
Vor dem Abendbrot oder nachher sah man dann in allen Gaststätten meistens die Väter mit dem Besuch beim Biere, während die Mütter und Frauen fast bis in die Nacht emsig tätig waren, um die Pfingstgenüße für des Leibes Wohl zu bereiten. Der Streuselkuchen war ja schon fertig, aber die Pfingsttorten sollten doch etwas Besonderes sein, und das Füllen und verzieren machte sich ja abends am besten, "wenn die Männer weg waren".
Und der Mund wird einem wässerig, wenn man an den heimatlichen Pfingstbraten denkt. Hand aufs Herz, am besten schmeckte er, wenn er so zubereitet war, wie ihn die Mutter von ihrer Mutter gelernt hatte. In diesem Punkte waren wir doch wohl alle stockkonser- vativ; wenn es auch modern und "schicklich" war, die Töchter ins Haushaltspensionat oder in eine Hotelküche zu geben,um,wie man sagte, die "feine Küche" zu erlernen.
Der Pfingstbraten war nicht so traditionell gebunden wie etwa das Weih-Huhn über die
verschiedensten Rinderbraten spielte das Kalbfleisch in diesen Tage eine führende Rolle.War doch ein Kalbsnierenbraten ..., ach, reden. wir nicht davon,ein Kalbsschnitzel mit Spargel oder Spargel mit Schinken etwas, was an den "Schlesisohen Fleischtöpfen" noch für jeden erscwinglich war.
Wenn jedoch Pfingsten nach Mitte Mai traf,die Bockjagd aufgegangen war, kam Rehbraten - mit Preiselbeeren - auf manche Tische. Wer aber Autobesitzer war und Feinschmecker dazu, der richtete es so ein, daß er abends in Ohlau im Hotel Gaze einkehren konnte, um dort die vielgerühmte Gänseleberpastete als etwas Besonderes sich zu leisten, dazu einen guten Tropfen aus dem Weinkeller oder eine Walderdbeer- bowle mit duftigen Walderdbeeren aus dem Oderwald.
Ebenso beliebt war als Ausflugsziel das idyllisch gelegene Smortawe, wo man neben vielen anderen Dingen Oderaal mit Gurkensalat als Spezialität bekam. Wer den ganzen Tag mit dem Kraftwagen wegblieb, - auch mit der Eisenbahn waren günstige Verbindungen, - besuchte das selten schön gele-gene Schloß Sybillenort, einst Lustschloß der Herzöge von Braunschweig-Oels, zuletzt Ruhesitz des letzten Königs von Sachsen, Friedrich August, heute eine Brandruine.
Auch Trebnitz im Katzengebirge mit seinem Hedwigskloster, dem Buchenwald mit der Einsiedlerklause, die herrlichen Wälder und das Trachenberg-Militscher Seen2gebiet wurden gern aufgesucht. Hier zelteten über die Feiertage oft auch Jugendgruppen und die Bündische Jugend und kam begeistert und braungebrannt zurück.
Wer diese Fernziele, darunter auch der "Heiratsmarkt in Gorkau" bei Zobtenr nicht ansteuern konnte, wählte den Ausflug nach Carlsruhe 0/S mit der Eisenbahn. In diesem idyllisch gelegenen kleinen Badeort mit dem Herzoglich Württembergischen Schloß als Mittelpunkt, den Kavalierhäusern und den schnurgeraden Alleen, dem Park mit seinen Denkmälern, war es immer schon.
Man saß im "Badehaus-Restaurant" bei Kaffee und Kuchen, hörte das Konzert einer Militärkapelle und erging sich dann auf lauschigen Waldwegen oder ruderte mehr oder wenig geschickt durch die Teiche hinüber auf ein Insel und lagerte am Fuße eines "Tempels" abseits vom Feiertagsgewühl, genoß die Ausblicke auf Wasser, Wald und "Berge" und gab sich ganz der Romantik dieses selten schönen Fleckchens Erde hin.
Und ist es ein Wunder, daß in diesem landschschaftlichen Paradies sich mancher junger Adam einer liebreizenden Eva auf "ewig" versprach; jedenfalls sah man im Bahnabteil manch' überglückliches Gesicht. Aber beinahe hätte ich das liebliche Weinbergschlößchen, auf einer Anhöhe gelegen, vergessen, wo sich' s besonders reizvoll saß.
Wer aber den Tanz nicht entbehren konnte, ging auf kurze Zeit ins Schützenhaus, wo man nach den lautstarken Klängen eines "Orchestrions" für einen "Beehm" auf sandiger Diele einen "scherbeln" konnte. Es war zwar keine "Musik -Box", aber für einen flotten deutschen Walzer oder einen "Rheinländer" - geschlossen oder offen getanzt - war uns dieser Musikautomat lieb und gut zu Pfingsten.
Wer von Euch Lesern möchte bei dieser Erinnerung an solch' harmlose Vergnügungen nicht noch "einmal 20" sein? Und darüber vergaß man die zu Carlsruhe gehörenden bissigen Mücken, die aber zu Pfingsten meist noch "eingesperrt" waren.
Auf dem Wege nach Bad Carlsruhe lagen - vom Eisenbahnzuge aus teilweise einzusehen - die Dammerer Teiche; ein Dorado der Vogelwelt, reich an Karpfen, Schleien, Hechten, Aalen und vieler kleinerer Fischarten, durchsetzt von Sumpf- und seltenen Wasserpflanzen, mit weiten Flächen blühender Teichrosen, über dem Wasser sich tummelnder schillernder Libellen, Schmetterlingen und anderen Insektenarten. Wer Glück hatte, konnte den Fischadler auf seinen Raubzügen oder auf einem abgestorbenen Baum spähend sitzend beobachten.
In nächster Nachbarschaft aber stand die Jahrhunderte alte Altmühle; ab­gelegen und einsam zwar, doch der naturverbundene Altmüller, Landsmann Emmich war ein König in seinem Naturparadies, um das ihn mancher Wissen­schaftler beneidete. Eine Radtour nach hier hatte seine besonderen Reize und zog manchen Namslauer an. Überhaupt wurde dieser Teil des Kreises gern durchwandert.
Durch die "Simmelwitzer Schweiz", über Pechhütte nach den "Nassadler Bergen" - letztere ein beliebtes Wanderziel der Namslauer Schulausflüge -oder durch den Steinersdorfer Wald in das Gasthaus Krowiorsch sah man zu Pfingsten die wanderlustigen Bürger ziehen.
Eine besondere Anziehungskraft hatte Grambschütz, wo man im Gasthaus Siebenhaar - später Ulitzka - gut aufgehoben war. War es doch ein richti­ges Landgasthaus, wo man in einem schattigen Garten sitzen konnte. Der Weg nach Grambschütz war auch für die älteren Leute ohne allzu große Anstrengung zu schaffen - auf dem Rückweg konnte man die Bahn benutzen -und führte über die Lankauer Wiesen durch den Grambschützer Wald.
Wer eine kürzere Wanderung vorzog, kehrte in Lankau bei Rosshaar - später Kirsch - ein oder ging nach Giesdorf zu Kubis.
Eine Wanderung durch den Czisog oder den ausgedehnten Stadtwald bis hin nach dem Forst Niefe war für viele ein lohnender Pfingstausflug, Auch der Weg über die "Hälterhäuser" nach Groß-Marchwitz und nach Grüneiche zu "Grusa" wurde gern eingeschlagen.
Wer aber die andere Ausflugsseite unserer Stadt wählte, ging nach stadt zu "Liehr", nach Deutsch-Marchwitz zu "Kube" oder noch weiter über die Feldwege oder die Weide entlang nach Wilkau zu "Schirbel"oder "Ulbrich"«
Eine schöne Wanderung führte auch an der Weide entlang nach Michelsdorf mit seiner bekannten Schrotholz-Kirche, an der - wie ich soeben erfahre -der am 24.März ds.Js. ( geschrieben im Jahre 1964 – die Redaktion) verstorbene Erzpriester Roman Kubis ein Menschenalter seelsorgerisch wirkte.
Der "geruhsame" Namslauer Bürger aber begab sich auf schönen Promenadenwegen gemächlichen Schrittes mit seiner Familie in den Stadtpark, denn nach Erstellung der Stadtpark-Gaststätte saß man dort nicht nur auf den Terrassen gut bei Kaffeemusik, sondern fand immer Unterhaltung mit Bekannten; war doch die "Schützenfamilie" hier zu Hause.
Ein Blick auf den Parkplatz zeigte, daß Namslau mit seinem Stadtpark, seinen Anlagen, seinem herrlichen, modern gestalteten Schwimmbad, seinen Gondelmöglichkeiten im Weide-Bruch und nicht zuletzt seinen gut geführten Gaststätten von Jahr zu Jahr mehr ein Anziehungspunkt für Fremde wurde.
Auch der Tennissport hatte dort oft zu Pfingsten auf der schön gelegenen und gut gepflegten Platzanlage sein Pfingstturnier. das viel interessier­te Zuschauer anlockte. Und der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich gern der Zeiten, wo die Mannschaft der "Namslauer Tennisvereinigung 1920" nach erbitterten Kämpfen oft den Sieg davontrug über Vereine aus schlesischen Städten, die in der schlesischen Tenniswelt Klang und Namen hatten. Wo sind die Zeiten hin, wo am eigenen Spiel mit Satz und Sieg der Mannschaftskampf für die Namslauer Farben entschieden wurde oder bei einem fast aussichtslosen Ball der "Punkt" geholt wurde, unter Beifall der Zuschauer die Mühe begeistert anerkannte!
Wohnten wir noch in Namslau, hätten wir heut wahrscheinlich zu Pfingsten eine "Kanuregatta". Damals waren es Wettfahrten in "kippligen" Seelen­verkäufern, die für den, der die Tücken des seichten Fahrwassers mit im Wasser versteckten Pfahl-stumpfen in der Nähe des Wassertores nicht kannte, mit einem unfreiwilligen Bad und wenig schönen Düften endeten.
Da war die Durchfahrt durch den "Mühlgraben" entlang der Pfennig-Promenade ins offene Fahrwasser des Weidebruchs wohl eine mühsame Ruderarbeit aber auch weniger gefährlich. Wer erinnert sich noch der Bannasch'schen Gondelkähne und ihrer Namen?
In den letzten Jahren, als Namslau sich von Jahr zu Jahr "verschönerte" und auf Fremdenverkehr Wert legte, hatten wir ja einen modernen Kahn-
verleih mit "schicken" und beinahe schnittigen Booten mit "Anlegerampe", die zu Pfingsten stark beansprucht waren.
Wie abwechslungsreich war aber auch eine solche Bootsfahrt durch die Wasserarme des Weidebruchs - für den Naturfreund am erlebnisreichsten bei Sonnenaufgang - bis hin zur Altstädter Mühle?
Und was vermag der Hang am Riedelberge alles zu erzählen von "Picknicks" und "unerlaubtem Baden"; leider auch von Badeunfällen und Ärger mit den Anliegern!
Das Familienfahrzeug auf dem Weidewasser war jedoch der "Heukahn" von "Wasser-Kusche". Es ging langsam und bedächtig mit ihm vorwärts, und
nicht jeder vermochte ihn mit der Stange in die gewünschte Richtung zu bringen, denn manchmal war er störrisch und drehte sich um die eigene Achse. Auch die Stoßstange hatte ihre Tücken und ließ das grüngelbe Weidewasser "betuse sachte" in die Manschetten - sprich: Röllchen der alten Herren - oder in die Ärmel der Oberhemden "latschern".
Eine solche Stoßkahnfahrt in lauer Nacht mit Lampionbeleuchtng, Guitarenklängen, fröhlichem Gesang und einer Bowle an Bord konnte uns in den Spreewald versetzen oder "venezianische Nächte" vorgaukeln. Wäre das Unglück der Vertreibung nicht gekommen, hätte sich bei ent­sprechender Ausgestaltung einer modernen "Stoßkahnflotte" eine zugkräfige Werbung für Namslau, die "Stadt an der Weide" ergeben können; vielleicht unter dem Werbeslogan "Zurück zur Natur" oder "Stärken Sie Ihre Muskeln, werden Sie gesund und froh durch Stoßkahnfahren"!
Unser Namslauer Freibad lockte nicht nur die badefreudige Jugend besonders über Pfingsten ins "nasse Element" oder zum "Faulenzen in der Sonne" auf Strand und Insel, sondern auch ganze Familien, Bestieg aber ein kühner Springer" den hohen 5 m-Turm und hob wie Ikarus die Arme, dann leben die Spaziergänger schon auf der "Schleussen-Brücke" stehen, um atemanhaltend den Sprung in die Tiefe zu verfolgen.
Le gäbe noch viel aus der Heimat über Pfingsten zu erzählen; mannigfal­tig die Einzelerlebnisse. Die Wanderlustigen kehrten ermüdet heim, die Autofahrer zurück. Die Rückwanderung aus dem Stadtpark ging am Schlachthof vorbei, um bei einem Glas Bier den Tag im "Braustübl" oder in der "Krone" zu beschließen. Ein anderer Teil "erklomm schleppend das Eierbergel", um im Garten des "Hotel am Stadttor" noch ein Plauderstündchen zu verbringen. Dabei kam man vorbei an der heut noch vorhandenen "Villa" des "Marschall-Fredel", der stadtbekannt, oft gehänselt und doch von uns allen als "Original" gern gemocht vor seinem Hauseingang auf einem Brettelstuhl sitzend, den Pfingstfeiertagsabend mit frisch geschnittenem Haar und auch rasiert nachsinnend verbrachte,
oh all dem Trubel des Tages lag spät abends Friede über unserer Kleinstadt. Vom Alten Friedhof und aus den dichten Fliederhecken des "Bock' sehen Gartens" ertönte noch lange der rollend-sehnsüchtige Gesang und das Schluchzen liebesglücklicher „Nachtigallen“ (Sprosser)

Arthur Kalkbrenner

NAMSLAUER HEIMATRUF Nr.31/1964