Alte ländliche Standesbezeichnungen

Bearbeitet von Peter Graf Henckel von Donnersmarck.


Es ist mein persönlicher Versuch etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen, aber keinesfalls wirklich ausreichend oder mehr als gerade noch befriedigend.
Nach: Böhm-Chronik, Familienforschung in Niederschlesien, Das Dominium, Klaus E. Kunze.
Quelle: Klaus E. Kunze, Das schlesische Dorf Klein Ellguth "Oelßnischen Creyses", Köln 2000. Brief Dr. Markus Bauer, Görlitz.

Grundherr - Rittergut Im 18. Jh., also vor der Bauernbefreiung, durch die Preußischen Reformen, unterstand jede schlesische Dorfgemeinschaft einem Grundherrn; dieser war in der Regel der Besitzer des jeweiligen Rittergutes.

Dominium Die Grundherrschaft und das Rittergut wurden 'Dominium' genannt. Das Dominium hatte die Oberaufsicht und das Verfügungsrecht über den Dorfanger mit der Dorfstraße und dem Dorfteich, über die Grenzraine, Wege, Stege, Bäche, Flüsse und die sonstigen unbebauten Flecken der Dorfgemarkung nebst besonderen Rechten, deren wichtigste das Jagd- und Fischereirecht, dazu das Bier- und Branntweinmonopol waren.
Vor allem aber gehörten dem Dominium innerhalb der Gemarkung umfangreiche, mehrere hundert Hektar große Ländereien, die mit Hilfe dienstpflichtiger Knechte und Mägde und sonstiger Dienstleute bewirtschaftet wurden, dazu kamen die zu bestimmten Diensten verpflichteten Stellenbesitzer.

Stellenbesitzer

Aller Grundbesitz im Dorf (mit Ausnahme des Rittergutes) gehörten sog. Stellenbesitzern.
Je nach der Größe und Beschaffenheit des Bodens, je nach der Belastbarkeit des Inhabers waren diese Besitztümer (Possessionen) in drei Arten von 'Rustikalstellen' eingeteilt: in

         Bauernstellen           Gärtnerstellen           Häuslerstellen.

   Die Zahl der Stellen eines Dorfes war durch Herkommen und Vereinbarung in 'Urbaren' (schriftliche Verzeichnisse über Besitzrechte) festgelegt, die nur sehr selten geändert wurden.

   Obereigentümer - Besitzwechsel
   Obereigentümer aller Rustikalstellen des Dorfes war die Grundherrschaft. In Mittelschlesien der Stellenbesitz erblich, d.h. die Herrschaft konnte einzelne Stellen nicht willkürlich einziehen und neu besetzen. Aber bei jedem Besitzwechsel (Verkauf, Erbfall) war die Zustimmung des Grundherrn erforderlich, dazu war stets eine Besitzwechselabgabe (Laudemium) zahlen.
   Der Besitzwechsel konnte aber versagt werden, wenn dadurch die Wirtschaftlichkeit der Stelle gefährdet wurde. Denn die Grundherrschaft hatte die Pflicht, die Rustikalstellen betriebsfähig zu halten, d.h. in Notzeiten (Mißernten, Viehsterben) mußte sie den Stelleninhabern Brot, Saatgetreide und Vieh bis zur nächsten Ernte liefern und die Gebäude in bewohnbarem Zustand erhalten.
Der Gutsbesitzer war also für die Gutsuntertanen verantwortlich und teilte ihnen ihre Pflichten zu.

   Freie und dienstpflichtige Stellenbesitzer

   Die Freibauern, die Freigärtner und die Freihäusler waren solche Stelleninhaber, deren Pflichten gegenüber der Grundherrschaft weniger in Diensten bestanden, sondern hauptsächlich in Geldzins und Naturalabgaben (sie konnten aber auch davon befreit sein).
   Demgegenüber waren die dienstpflichtigen Bauern, Gärtner und Häusler stärker durch Frondienste und weniger durch Zinsleistungen belastet.
   Für sie alle, und erst recht für die landlosen Gutsbewohner und Mieter, war die Gutsherrschaft die unterste staatliche und rechtliche Instanz. Einspruch und auch Prozesse gegen ihre Entscheidungen war aber möglich.

   Die Bauern
   Die Bauern saßen auf den am besten ausgestatteten Rustikalstellen (eigener Grund oder vom Grundherrn zugepachtet). Sie hatten außer Haus und Hof und Garten so viel Ackerland, daß sie zu dessen Bestellung (mehrere) Pferde- und/oder Ochsengespanne benötigten.
   Die Bauerngüter umfaßten ein oder zwei, seltener mehr, schlesische Hufen (zu je 16,8 Hektar). Wenn die Bauern fronen mußten, hatten sie vor allem mit ihren Fuhrwerken Spanndienste (z.B. Wegebau) zu verrichten.


   Die Gärtner
   Die Gärtner hatten außer Haus, Hof und Garten nur wenig Ackerland; sie besaßen verschiedenes Vieh, allerdings keine Pferde. Ihr Dienst für die Herrschaft bestand hauptsächlich in Handdiensten. Wegen der geringeren Ertragfähigkeit ihrer Stelle übten sie gewöhnlich nebenbei ein Handwerk aus; wenn sie keines beherrschten, verdingten sie sich nebenbei als Tagelöhner.
    Es gab aber auch Gärtner, insbesondere Freigärtner, die so viel Land hinzugepachtet hatten, daß sie sich und ihre Familie allein vom Ackerbau und von der Viehzucht ernähren konnten.

   Die Häusler
   Die Häusler hatten die kleinsten Rustikalstellen inne; denn zu einer Häuslerstelle gehörten nur Haus, Hof und Garten und so gut wie gar kein Ackerland, Zwar hielten auch die Häusler Vieh, vor allem Kleinvieh; sie konnten aber vom Gartenbau und von der Viehhaltung allein nicht leben und arbeiteten daher hauptsächlich als Handwerker, Tagelöhner oder Gutsarbeiter.
   Ihre Dienste für das Dominium bestanden ausschließlich aus Handdiensten; das heißt, sie mußten für eine festgesetzte Anzahl von Tagen mit einer bestimmten Anzahl von Familienangehörigen der Gutsherrschaft zur Verfügung stehen.

   Die übrigen Dorfbewohner
   Die übrigen Bewohner des Dorfes waren landlose Gutsarbeiter, Tagelöhner, Knechte, Mägde, Schäfer, Hirten, Fischer und sonstige Gewerbetreibende, die in den zahlreichen Gesindewohnungen des Dominiums und seiner Vorwerke lebten oder Räume bei Stellenbesitzern gemietet hatten.

Reformen des 19. Jahrhunderts
   In den Reformjahren von 1807 bis 1845 wurden die schlesischen Landbewohner durch königliche ‚Regulierungsedikte' schrittweise aus der Gutsuntertänigkeit befreit.
   Die Rittergüter behielten zwar ihre dominierende Rolle, aber mehr durch die Größe und damit wirtschaftliche Bedeutung. In der Gemeinde verblieben ihnen aber nur Reste richterlicher und polizeilicher Verfügungsgewalt.
   Die jetzt freien dörflichen Stellen unterschieden sich jetzt fast nur noch durch die Größe des zugehörigen Ackerlandes. Auch eine Reihe von Gärtnern und Häuslern konnten im Laufe der zweiten Hälfte des 19.Jh. durch Pacht, Kauf, Erbschaft, Einheirat ihr Besitztum vergrößern.
   Die Bezeichnungen 'Bauer', 'Gärtner' und 'Häusler' verlieren ihren ursprünglichen Sinn. Der Begriff 'Bauer' wurde zwar weiterhin für die Eigentümer einer oder mehrerer Hufen verwendet; aber immer häufiger begegnen uns in den Urkunden schon vor der Jahrhundertwende die umfassenderen Begriffe 'Freistellenbesitzer/Stellenbesitzer' und zum Ende der Sammelbegriff 'Landwirt'.

Als Hintergrund für diese uns so fernen Begriffe, sei ein Brief vom April 2003 an mich von Dr. Markus Bauer, Direktor des Schlesischen Museums zu Görlitz, wiedergegeben.

Bei den "Freigärtnern" und "Dreschgärtnern" handelt es sich um Angehörige der dörflichen Mittelschicht. Im allgemeinen lebten auf dem Dorf in Schlesien drei Gruppen: die Bauern, Gärtner und die Häusler. Bei den Bauern handelt es sich um die Nachkommen der ursprünglichen deutschen Siedler des 13. Jahrhunderts, die persönlich frei (also nicht leibeigen) waren und ihren Boden ohne Abgabenlast bewirtschafteten. Da sich die Rechtslage in der frühen Neuzeit zu Ungunsten der ländlichen Bevölkerung veränderte, wurden manche von ihnen doch zu Diensten verpflichtet, wenn auch gewöhnlichen nur zu gemessenen, d.h. genau umrissenen Verpflichtungen, z. B. bestimmte Fuhren beim Einbringen der Ernte zu leisten u.ä.. So scheint es auch im Falle von Grambschütz gewesen zu sein, wenn es heißt, dass die sechs Bauern "dienstbar" sind. Die Gärtner sind eine soziale Schicht, die sich historisch gesehen später in den Dörfern ansiedelte, erst seit dem Ende der
Kolonisationsepoche, also in der Zeit nach dem 13. Jh., als die großen Feldfluren bereits verteilt waren. Vermutlich sind auch große Teile der ehemaligen slawischen Bevölkerung in dieser Gruppe aufgegangen. Ein "Garten" ist ein Stück Acker, das kleiner ist als eine Hufe (= die normale Landausstattung eines Bauern) und das war für gewöhnlich nicht ausreicht, um eine Familie zu ernähren. Gärtner mussten also dazuverdienen: als Handwerker oder Tagelöhner bei der Herrschaft oder bei Bauern. Gärtner waren sozial schlechter gestellt als Bauern; sie mussten Dienste in erheblichem Umfang leisen, oft ungemessen (d.h. nach Belieben der Herrschaft). Viele von ihnen waren Hörige, also persönlich unfrei. In vielen Dörfern stellten Gärtner die Masse der Bevölkerung dar. Sie waren in verschiedene Schichten unterteilt: "Freigärtner" waren besser gestellt und persönlich frei, wenn auch zu Diensten verpflichtet; "Dreschgärtner" waren gewöhnlich Hörige, die der Herrschaft das ganze Jahr über eine Fülle von Diensten zu leisten hatten, zu denen auch das namensgebende Dreschen gehörte. Vor allem bei den Dreschgärtnern vermutet man die Nachkommen ehemals slawischer Höriger. Die dörfliche Unterschicht setzt sich aus Häuslern zusammen: das sind Leute, die überhaupt kein eigenes Land haben und ganz auf auswärtige Beschäftigung, als Tagelöhner oder Handwerker, angewiesen sind und im Dorf die schlechteste Rechtsstellung haben. Häusler wurden erst seit dem 16.Jh. zumeist auf Herrenland (bzw. auf Land, das die Herrschaft zuvor den Bauern abgenommen hatte) angesiedelt. Was "Auszüglerhäusler" sind, weiß ich nicht: vielleicht Leute, die außerhalb des Dorfes wohnten (Aussiedlerhöfe). Wenn von "bewohnten Auszüglerhäusler" die Rede ist, dann ist damit gemeint, dass die entsprechenden Hausstellen besetzt, die Häuser also bewohnt waren. Bei dem "Ziergärtner" handelt es sich offenbar um einen spezialisierten Handwerker; er wird ja auch in einer Reihe mit anderen Handwerkern und dörflichen Berufen genannt. Es hat also nichts mit dem "Gärtner" im sozialrechtlichen Sinne zu tun. Ich nehme an, dass es ein Mann war, der als Gärtner zur Pflege von Blumengärten und Anlagen bei der Herrschaft angestellt war, aber offenbar in einem freien Dienstverhältnis, nicht als Höriger. Ein Garnsammler hat irgendetwas mit der dörflichen Textilindustrie zu tun, was seine genaue Betätigung ist, weiß ich nicht, aber irgendein Handwerker muss es wohl sein.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Schultheiß - Schulze - Scholtisei (Scholzengut) - es gibt viele sprachliche Varianten -
Nach: Kille, Heimatblatt für den Kreis Strehlen und Ohlau,1/2000, S.16

   Der Kolonistenführer/Siedlungsunternehmer (Lokator) spielte bei der mittelalterlichen Besiedlung Schlesiens eine große Rolle. Die damaligen Grundherrn (Piasten-Herzöge, Fürsten, Bistümer) schlossen die Siedlungsverträge nur mit dem Lokator, nicht mit dem Siedler ab. Der Lokator hatte die Siedelarbeit zu leiten und zu überwachen, mußte am Anfang für Saatgut und Gerätschaften und für die Existenz der Siedler sorgen. So trug er eine hohe hohe Verantwortung dem Grundherrn gegenüber. Die Belohnung war z.B. ein Schulzenamt verbunden mit der Erbscholtisei/Schulzengut. Er übernahm also eine führende Funktion in der bäuerlichen Gemeinde. Zum Schulzengut gehörte die Dorfschenke (Erbkretscham), dazu kam eine Handelserlaubnis (Erbkrämer), die Errichtung von Handwerksbetrieben (Erbschmiede) oder Mühlen (Erbmüller) und anderen Privilegien.
   Diese örtliche Vorrangstellung verband sich mit vielen rechtlichen und öffentlichen Funktionen. Er hatte die Polizeigewalt und niedere Gerichtsbarkeit (Erb- und Gerichtsschulze), für seinen Grundherrn musste er die Steuern und Abgaben einziehen, u.a.m.
   Diese Rechte und Pflichten waren aber nicht an die Person, sondern an den Besitz der Scholtisei gebunden. Diese war in männlicher und weiblicher Linie vererbbar, frei verkäuflich, beleihbar, auch von grundherrlichen Zinsen befreit (Freigut, Freibauer). Mit Änderung der politischen und wirtschaft-lichen Gegebenheiten schwanden diese Erbscholtiseien immer mehr; bis zur Vertreibung 1945 war diese Bezeichnung nur noch ein ‚Aushängeschild'.

Patrimonialgerichtsbarkeit - Herrliche Gerichte = Erb-, Guts-, Privatgerichtsbarkeit.
   Der Regel nach übt der Gutsherr (Gerichtsherr (-schaft), Erbrichter) nicht selbst die Jurisdiktion aus, sondern durch Gerichtsbeamte. Im 19. Jh. meist nur noch ein Präsentationsrecht. 1879 durch das neue Ger.Verf.Ges. aufgehoben. Schon früher sehr eingeschränkt, besonders seit 1848.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Weitere Funktionen

Waldbereiter
1600: Ämter, z.B. Waldbereiter, Fischmeister. Dem Waldbereiter, genannt für Böhmen/Liechtenstein, unterstand damals das gesamte betriebliche Forstwesen (1538 ordnete Kaiser Ferdinand eine "gmain waldbereitung in der grafschaft Tirol "an).
--------
1801 (Adelung, Wörterbuch), diese Fundstelle stellt auf "reiten" ab. Ein Unterbeamter, der den Wald zu Pferde zu be-reiten und dort für Sicherheit zu sorgen hatte.
--------
1884 wieder ein erweitertes Verständnis dieses Begriffs, wenn auch nicht so weit wie um 1600. Zu seinen Aufgaben gehörten das Vermessen des Wirtschaftsbetriebes, die Forsteinrichtung, Anlegen von Versuchsflächen zur wissenschaftlichen Erforschung des Waldstreubetriebes, Läuterung der Nutzhölzer und rationelle Durchforstung. Versuchsflächen zur Erforschung der Samenherkünfte und zur Aufforstung in verschiedenen Planzverbänden.

Forst-/Waldbereiter - Forstläufer
Im 18. und 19. Jh. sind Wirtschaftsleiter oft beritten und heißen daher Forstbereiter oder Waldbereiter. Die untergeordneten Beamten, die ihren Dienst zu Fuß versehen müssen, sind so genannte Forstläufer.

Waldbeläufer
Ca. 1800-1860 als Berufsbezeichnung verzeichnet. Eine genaue Erklärung der Tätigkeit war nicht zu finden. Wohl eine Aufsichtsfunktion (Feuer, Holz- und Wildfrevel), die auch neben einem anderen Beruf ausgeübt wurde, z.B. Bleichermeister - Steinarbeiter - Freigärtner und Waldbeläufer, aber auch Waldbeläufer und Forstaufseher. Später dann wurden wohl Waldwärter, Wald-/Forstaufseher, Unterförster daraus.

Ländesältester
   Ursprünglich Beauftragter der Landstände, d.h. die politische Vertretung der Stände in den europäischen Gesellschaften des Mittelalters und der frühen Neuzeit gegenüber dem jeweils Regierenden. Die Stände waren von Land zu Land sehr unterschiedlich, z.B. Adel, Klerus, Vertreter von Städten, einzelne Beamte, auch freie Bauern.
   In Preußen blieb im 18./19. Jh. den Landesältesten nur noch die Verwaltung des gemeinsamen Vermögens der Kommunalstände und der amtliche Verkehr mit der Staatsregierung bei der Vertretung ständischer Interessen.
    Wieder in in Preußen führten diesen Titel auch Mitglieder der Kreistage, die von der Landschaft (ständische Vertretung) mit der Abschätzung der Güter in Bezug auf deren Beleihung mit Pfandbriefen beauftragt waren.

Alte ländliche Standesbezeichnungen - pdf-Fassung