Neue Quellen zur Geschichte der Deutschordens - Kommende Namslau.
von Fritz Rotschate.
erschienen in den Schlesischen Geschichtsblättern
Jahrgang 1933/3 ,S.49-52, Breslau 1933

Es ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt, daß zu den Besitzungen des Deutschen Ritterordens, die weit verstreut zwischen Mittelmeer und Ostsee lagen, einst auch die Burg Namslau gehört hat. Schon im13. Jahrhundert hatte Herzog Heinrich I. (1201-1238) dem Deutschen Orden das Gebiet von Lassusino und Bandlovici (Paulsdorf), die Gegend von Reichthal und Glausche, geschenkt, das 1233 Hermann Balk, Prokurator des Deutschen Ordens, dem Egidius, Kapellan von Namslau, verleiht, um dort nach Belieben Mallonen oder Deutsche und andere hospites anzusiedeln (SR. 410 und Cod.Dipl. Sil. 14, 68). Die Ländereien sind 1249 dem Bischof Thomas I. überlassen worden und haben sich später zum „Skorischauer Halt“ erweitert (SR 692).1)

Inzwischen vergehen fast 500 Jahre bis der Deutsche Orden durch Kauf wieder in den Besitz Nams- lauer Gebietes gelangt. Über diese Zeit geben die im „Zentralarchiv des Deutschen Ritterordens“ im Deutschen Haus in Wien liegenden Urkunden und Schriften ein genaues Bild. Sie sind ohne Signatur in 13 Holzkästen untergebracht, die alle die gleiche Aufschrift: „Zentralarchiv des Deutschen Ritterordens, Meistertum Commende Namslau“ tragen und mit den laufenden Nummern 51 –63 versehen sind. In jedem Kasten liegen Urkunden verschiedenster Art, die oft weder zeitlich noch sachlich zusammen gehören. Als Ganzes bieten sie jedoch ein umfangreiches und interessantes Material über die kirchlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse der Jahre 1703 bis 1810.

Im ersten Kasten (Nr. 51) finden sich zunächst Hinweise auf Kaiser Karl IV., der 1348 die Stadt Namslau samt dem Weichbilde von Herzog Boleslaus erkaufte (urkundl. von dessen Sohn Wenzel), 1360 den Grund zu dem Mauerwerk der vorher ganz aus Holz errichteten Burg legte, die Stadt- mauer zu bauen begann und den Damm über die Weideniederung, heute „Kaiserdamm“ genannt, aufschüt- ten ließ .2) Nach seinem 1378 erfolgten Tode sind mit Unterstützung Kaiser Ferdinands I. (1556 – 1564) und Rudolfs II. (1576 – 1612) Erweiterungsbauten durchgeführt und neue Befestigungs- anlagen geschaffen worden. Welche Gründe Kaiser Leopold I. 1703 veranlasst haben,das Namslau- ische Burglehen an den Deutschen Orden mit allen dazu gehörigen Gütern für 110 000 ungarische Gulden zu verkaufen, ist aus den Urkunden nicht ersichtlich.3) Das Original der Kaufurkunde, auf samt- weichen Pergament mit der eigenhändigen Unterschrift des Kaisers, ist wohlverwahrt in einem eisernen Wandschrank im Ordensarchiv erhalten; daneben finden sich mehre Abschriften im Kasten Nr. 51. In der Urkunde wird der Kauf mit allen Rechten, Vorbehalten, Besitzungen und Liegen- schaften vollzogen, und nach der Ratifikation am 8. Juni 1703 gehen die Burg Namslau sowie die Dörfer Altstadt,Tauchen- dorf, Glausche, Polsowitz, Hennersdorf und Windisch-Marchwitz in den Besitz desDeutschen Ordens über.


Die folgenden Urkunden bringen Einzelheiten über die kirchlichen und politischen Rechte. Dem- nach besitzt die Kommende 3 Pfarr-(Namslau, Glusche,Hennersdorf) und zwei Filialkirchen (Altstadt und Windisch-Marchwitz). Bei Namslau konnte jedoch „vor dem eingeschlichenen Luthertum“ nicht eigentlich in Erfahrung gebracht werden, ob das Patronatsrecht dem Orden oder der Stadt zustehe 4). Die Entscheidung fällt erst 1757. Die schleppenden Verhandlungen in dieser Angelegenheit werden lebhaft, als 1741 die drei Namslauer Ratmänner Schramm, Kinast und Scholz im Namen der evangelischen Bürgerschaft die Einräumung der 1654 weggenommenen Kirche zum evangelischen Gottesdienst erbitten (vgl. Liebich a. a. D. 165 f.) Daraus befahl der König: „Denen Evangelischen gebotenermaßen ihre Kirche und Schule nach Anleitung der Altranstädt- schen Convention wieder einzuräumen“. Als sie nun aber die Einräumung der katholi- schen Kirche zum evangelischen Gottesdienste erbeten, werde sie, unter Anerkennung ihres formellen Anspruches und der Erlaubnis, einen evangelischen Prediger und Schulhalter anzunehmen, „gänzlich ab und zur Ruhe verwiesen“. Als nun der Komtur von Werdenstein die Einrichtung der evangelischen Kirche von seiner Genehmigung abhängig machen will, da ja der Orden durch Kaufurkunde vom 8.6.1703 das Patronatsrecht erworben habe, wird er durch Urteil vom 22.2.1757 ins Unrecht gesetzt. „Das Patronats-recht der Commende kann sich laut Kaufurkunde nur auf das Burglehen und die damit verbundenen Güter, nicht aber auf die Stadt beziehen, wie ja auch der Orden die Gerichtsbarkeit über die Stadt nicht besitzt,sondern nur über seine Dörfer“ (Kasten Nr. 54).


Die Kommende besitzt das Obergericht in 14 Ortschaften,daher auch einen Richtplatz und Galgen (Kasten1). Wenn sich in dem Bezirk ein „casus criminalis“ ereignet, so muß die Kommende den „Maleficanten“ annehmen, verpflegen und den Prozeß durchführen lassen.Nachdem das „Examen“ nach den Landes- und Weichbildstatuten vollführt worden, muß der Komtur „Gentenz und Urteil“ fällen. Wer die Sentenz nicht annehmen will, kann sich ans Breslauer Oberamt oder den kaiserli- chen Hof wenden. Das Weichbild hat einen besonderen Königshauptmann, dem 6 Königsmänner, ein Land- schreiber und ein Landpfänder beigegeben sind. Der „Commendator“ ist jederzeit der erste Königs- mann und Landesälteste. Zu dem viermal im Jahre tagenden Mannrecht erscheinen in der Regel 2 Königsmänner. Dabei werden alle laufenden Rechtssachen vorgenommen, erörtert und entschieden, neu erkaufte Güter proklamiert, Kaufbriefe erteilt und die Rechnungslegung des eigens bestellten Kassierers entgegen genommen.


Außerdem besitzt die Kommende das Zollrecht, das auf ein von Kaiser Sigismund 1431 dem Magi- strat Namslau erteiltes Zollprivileg zurückgehen soll 5). Danach wird der Zoll von Wagen, Krämer waren, Bier und Vieh erhoben, die die Stadt oder das Land passieren. Nach einem alten Herkom- men hatte nun der Magistrat den halben Zoll der Königsburg abzuliefern; man hatte sich aber nicht streng daran gehalten, die Zollablieferungen verschoben oder unterlassen und dazu auch die Steuern der Kommendedörfer einbehalten. Daneben war durch 4 Jahre Namslau von kaiserlichen und Landes- steuern frei, so, daß sich völlig unklare Verhältnisse über Steuerschulden und –zahlungen, über Steuerfreiheit und Steuerpflicht ergaben, die schließlich, da über die beiderseiti- gen Rechte keine Einigung erzielt werden konnte, 1726 zur Exekution führten (Kasten Nr. 55).


Reichlich verworren lagen auch die Verhältnisse bei der Herstellung und dem Verkauf des Bieres, besonders in den Dörfern, in denen nur einzelne Untertanen dem Orden gehörten, wie Noldau und Eckersdorf. Diese mussten bei festlichen Anlässen das Bier von der Kommende kaufen, die Guts- herrschaft nahm es ihnen aber wieder weg, um ihr eigenes dafür abzugeben. So war auch hier der Streit unvermeidlich.

Die Festlegung der einzelnen Rechte, der Grenzen, sowie des baulichen und wirtschaftlichen Zustan- des der einzelnen Besitzungen, die lückenlose Beschaffung der Urbarien, Schöppenbücher und Doku- mente erforderte rund ein Jahr, sodaß erst am 30. Juli 1704 die Vollmachten ausgetauscht, die Güter in Besitz genommen und die Hauptquittung übergeben werden konnten. Graf Rechen- berg nahm den Schulzen und Schöppen den Eid deutsch und polnisch ab und gemahnte sie an die in die Hand gelob- ten Treue und Gehorsam (Kasten 51).


Die Aufzeichnungen der folgenden Jahre berichten von Inventaraufnahmen im Schloß und den einzelnen Gütern, von Jahresrechnungen mit genauen Angaben über Aussaat und Ernte, Löhne, Viehbestand, Getreide, Wald und Fischfang. Um 1726 sind die Güter an den Amtswalter Gottfried Wallauch verpachtet (Kasten 6).

Wallauchs Name ist auch unter den zahlreichen Berich- ten aus den Jahren 1740/42 zu finden, die von derBelagerung und Einnahme Namslaus berichten und durch den Übergang von der österrei- chischen in die preußische Landeshoheit für die Zukunft der Kommende entscheidend wurden (Kasten 57). Der am 29.12.1740 in Namslau eingetroffene Obristwachtmeister von Cramer lässt durch die aus den umliegenden Dörfern zusammengekommenen Weichbildmänner die Palisaden verstärken, das Maga- zin auffüllen und Namslau in einen „rechten Defensionsstand setzen“. Trotzdem wurden Stadt und Schloß am 31.1.1741 erstürmt, und von Cramer mußte sich mit seinen Offizieren und 275 Mann erge- ben. Das arg beschädigte Schloß wurde von Preußen besetzt. Es ist nach einem Bericht vom 10.10.1742 gründlich repariert und neu bedacht worden. Für die Einstellung der Namslauer Bevölkerung zur preußischen Herrschaft ist es bezeichnend, dass sowohl der Bericht Wallauchs vom 22.3.1741 als auch die Aufzeichnungen eines Zeitgenossen 6)betonen, dass die Namslauer gut preußisch seien und nichts nach den Österreichern fragten.


Im Oktober 1742 wird Graf von Satzenhofen durch den neuen Komtur v. Werdenstein abgelöst, der in Ulm wohnen bleibt. Eine Aufforderung der Breslauer Regierung, sich in Namslau einzufinden und dort seine Revenuen zu verzehren, da es nicht gestattet werden kann, „Gelder außer Landes gehen zu lassen“, lässt Werdenstein unbeachtet. Als die Androhung der Sequestration erfolglos bleibt, wird diese nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges am 19.10.1764 durchgeführt und Moritz von Prittwitz in Grambschütz mit der Verwaltung der Kommende betraut. Er erhält auch, nachdem von Werdenstein am 18.4.1765 in Namslau eingetroffen war, die Weisung, „sich an der ferneren Verwaltung der Commende nicht irre machen zu lassen“.

(Namslau: Stadtansicht aus der Vogelschau in Werners Topograhia Silesia 1761)
In jener Zeit ist der Gedanke entstanden, „sich auf eine schickliche und unschädliche Art der Commende Namslau zu entledigen, da der Hohe Orden von Seiten der Churbrandenburgischen Re- gierung niemalen ungekränket bleiben wird“. Außerdem ließen die geringen Erträge einen Austausch gegen das Amt Zuckmantel verlockend erscheinen. Die Verhandlungen aber führten zu keinem Erfolg, da die Berliner Regierung durch Reskripte vom 13.10. und 28. 10. 1799 die Einwilligungzu den Tausch versagte (Kasten 3).


Als letzter Komtur übernimmt Frank Heinrich Frhr. V. Hettersdorf 7) 1802 sein Amt. Die Güter sind schlecht bewirtschaftet und bringen nur geringe Erträge; drückende Schulden veranlassen ihn, sein eigenes und geliehenes Geld zur Steigerung der Erträge zu verwenden. Die französische Besetzung 1806/07 und die Kriegslasten, um deren Herabsetzung er die Franzosen vergeblich gebe- ten hatte, glichen seine Erfolge wieder aus. Mit einer Anleihe von 10 000 Reichsthalern beginnt er von neuem, und es gelingt ihm, bis 1810 die Erträge zu verdoppeln. Da bereitet das Säkularisationsedikt vom 30. Oktober 1810 seinem Schaffen ein Ende. Er selbst nimmt statt einer Barentschädigung im Februar 1813 das Vorwerk Glausche an, die Kommende geht in den Besitz des preußischen Staates über. Das Schloß 8) gehört heut der Familie Haselbach; die einzelnen Güter sind Privatbesitz, und nur die ehemaligen Kommendewälder von Polkowitz, Glausche und
Windisch-Marchwitz sind jetzt noch Staatsforsten.


1) E. Maetschke, Der Skorischauer Halt bei Namslau im 13.Jahrh: Der Oberschlesier 7 (1925), 522 ff
2) W. Liebich, Chronik der Stadt Namslau (N.1862), 38 ff.
3) Joh.Voigt, Gesch. d. Deutschen Ritter-Ordens in seinen zwölf Ballesen in Deutschland 2(Berlin 1859), 462 f. Deutschmeister war seit 1694 Franz Ludwig Pfalzgraf v. Neuburg, seit 1683 Bischof v. Breslau
4) Edm. Michael, Die schlesische Kirche u. ihr Patronat 1 (Görlitz 1926), 117 (herzoglich)
5) Script rer. Sil. 6, 102 f.
6) F. Wachter, Namslau im Ersten Schlesischen Kriege; Zeitschrift 18 (1884), 253 ff
7) Teile seines Nachlasses u. Akten über die Kommende befinden sich im Staatsarchiv Breslau unter folgenden Signaturen: Rep. 14 II, II.1u. 2. VII 79i. X 21 a-f. 25 a-d. Rep. 133 Nr.46, a-e. 16.17.Rep. 135 E 158; Rep. 219 (Säkularisation), 110-115; vgl.Br. Krusch, Gesch. des St. A´s zu Breslau (Lpzg 1908), 295. Joh. Voigt, a. a. O. 2, 553 f., 611 ff.