Aus der Geschichte des Kreises Namslau

Der Kreis Namslau wurde im Jahre 1741 mit der Einführung der preußischen Verwaltungsordnung in Niederschlesien durch Friedrich den Großen aus dem zum Fürstentum Breslau gehörenden Weichbilde Namslau geschaffen. Seine Gestalt hat der Kreis behalten, bis ihm der Machtspruch von Versailles 1920 den östlichen Teil mit Reichthal entriß.

Die Dörfer und die Stadt Reichthal in einer Chronik von 1795


Im Zuge der preußischen Staatsreform wurde dem Staate Preußen am 31. Januar 1850 eine Verfassung gegeben. Nach dieser Verfassung übte der König von Preußen zusammen mit dem Preußischen Landtag die gesetzgebende Gewalt aus. Schlesien war damals eine der neun alten Provinzen Preußens, und zwar nach der Größe die erste und nach der Bevölkerungszahl die zweite.
Die Provinz Schlesien wurde bei dieser Reform in drei Regierungsbezirke unterteilt, denen die Stadt- und Landkreise zugeordnet wurden. Der Kreis Namslau gehörte mit 23 anderen Kreisen zum Regierungsbezirk Breslau. An seiner südöstlichen Grenze begann der Regierungsbezirk Oppeln mit den Kreisen Kreuzberg und Oppeln.


Unser Kreis hatte damals eine Größe von 583,9:7 qkm und 65 Einwohner pro qkm. Die Gesamtzahl der Einwohner wurde mit 38.019 angegeben, von denen 20.594 evangelisch, 16.975 katholisch und 450 Juden waren. Dissidenten gab es nach dieser Statistik im Kreis Namslau nicht. Der westliche Teil des Kreises wird von der Weide und einer sumpfigen Niede-
rung durchzogen; der übrige Teil des Kreises, hat sandigen oder lehmigen Boden, viel Wald und Wild, Flachsanbau, Schafzucht und bedeutenden Kartoffelanbau und Brennereibetriebe. Der Reinertrag von einem Hektar Ackerland betrug 14 Mark.
Einem zeitgenössischen Werk von Heinrich Adamy, daß 1885 in Breslau verlegt wurde, sind folgende Angaben entnommen.


"NAMSLAU: Kreisstadt an der Weida mit 5.868 Einwohnern unter denen sich zwei Eskadronen der 8. Dragoner befinden. 7 Meilen oder 54 km von Breslau gelegen, besitzt eine evangelische und eine katholische Pfarrkirche. Betrieb Bierbrauerei und Schuhmacherei und hat bedeutende Schwarzviehmärkte. Die Stadt war Festung bis zum Ende des siebenjährigen Krieges. REICHTHAL: Stadt mit 1.317 Einwohnern, treibt Schuhmacherei. MINKOWSKY (später Seydlitzruh): Schloß und Garten mit dem Denkmal des Reitergenerals v. Seydlitz, der den Sieg bei Roßbach hauptsächlich herbeiführte

SCHMOGRAU: Hier war die erste christliche Kirche Schlesiens; von 1038 ab eine Zeit lang die Residenz der Breslauer Bischöfe."

Die Vieh- und Getreidemärkte in Namslau gehörten zu den fünf größten in Schlesien. Besondere Bedeutung hatte auch die Schafzucht. Während in Schlesien im Durchschnitt 32 Schafe auf einen qkm kamen, brachte es der Kreis Namslau auf über 70 Schafe pro qkm.
Aus dem "Landwirtschaftlichen Güter-Adreßbuch von 1921" sind folgende Angaben zu entnehmen: Im Kreisgebiet gab es nach dem 1. Weltkrieg 131 Rittergüter, Güter und größere Höfe. Davon wurden 42 als Rittergüter und 15 als Domänen und Erbscholtiseien ausgewiesen. Es gab 4.630 Haushalte, die Viehhaltung aufwiesen, dabei wurden 17.385 Stück Rindvieh und 4.960 Pferde (ohne Militärpferde) gezählt. Durch das Kreisgebiet führten mehrere Eisenbahnlinien. Es waren die Strecken Breslau - Kreuzberg mit Bahnhöfen in Wilkau, Namslau, Grambschütz und Noldau; Namslau - Ilnau/Oppeln mit Stationen in Simmelwitz, Nassadel, Eckersdorf und Dammer, und Namslau - Reichthal mit Stationen in Giesdorf, Buchelsdorf und Reichthal. 1940 wurde ein Teilabschnitt der Bahn Groß Wartenberg - Brieg in Betrieb genommen, die im Kreisgebiet folgende Stationen hatte: Paulsdorf, Schmograu, Glausche und Buchelsdorf. Von Namslau aus sollte diese Strecke über Groß Marchwitz, Seydlitzruh (Hessenstein) und Rogelwitz nach Brieg führen. Am Bahnhof Namslau ist noch heute der Ansatz für diese Strecke zu erkennen

Das Ende des 1. Weltkrieges brachte für den Kreis Namslau einschneidende Veränderungen, denn er wurde plötzlich Grenzkreis. Das Reichthaler Ländchen (weitere Infomationen) mit 8.482 ha, 4.590 Einwohnern und 10 Gemeinden wurde ohne Befragung der Bevölkerung dem wiedergegründeten polnischen Staat zugeschlagen. Die im Grenzbereich zu Oberschlesien liegenden Gemeinden Bachwitz, Dammer, Erbenfeld, Erdmannsdorf, Friedrichsberg, Johannisdorf, Hennersdorf, Noldau, Sterzendorf, Ordenstal, Sophienthal, Steinersdorf und Wallendorf mußten auf Wunsch der Polen an der unter alliierter Aufsicht (Franzosen, Engländer, Italiener) stattfindenden sogenannten "Oberschlesischen Volksabstimmung" teilnehmen. Die Menschen in diesem neuen Grenzbereich sorgten durch ihre Stimmabgabe am 20.3.1921 für klare Verhältnisse. Mit 97,5 % zu 2,5 % entschieden sie sich - kurz nach einem verlorenen Krieg - für den Verbleib bei Deutschland. Während im benachbarten Oberschlesien das Ergebnis der Volksabstimmung bei der Grenzziehung ignoriert wurde, diente es im Kreis Namslau zur Festlegung der neuen deutschpolnischen Grenze. Das Reichthaler Ländchen, das eine vergleichbare Bevölkerungs-zusammensetzung hatte, konnte von diesem eindeutigen Ergebnis nicht mehr profitieren. Aus neuer Geschichtsforschung ist bekannt, daß schon im September 1914 bei Gesprächen zwischen dem Außenminister des russischen Zaren und dem späteren Bevollmächtigten Polens bei den "Friedensverhandlungen" von Versailles - Dmowski - u. a. die niederschlesischen Kreise Namslau und Groß Wartenberg dem neuzugründenden polnischen Staat zugerechnet wurden.
Diese Grenze und der Verlust des Reichthaler Ländchens brachten zusätzliche wirtschaftliche Probleme mit sich, so daß der Kreis nur sehr langsam seine Wirtschaft wieder in Gang bringen konnte. Daß sich trotzdem bald eine Erholung zeigte, war auch auf die schlesischen Mentalität zurückzuführen, die in dem Werk Adamys wie folgt beschrieben wird: "Außer der Heimatliebe, die auch in anderen deutschen Gauen stark vertreten ist, zeichnet den Schlesier vorzugsweise Bescheidenheit und eine auf Treuherzig- keit beruhende Gutmütigkeit aus; und dies mag auch der Grund sein, warum der Schlesier sich immer wieder nach seiner Heimatprovinz zurücksehnt, weil er anderwärts diese (nur bei Gegenseitigkeit zuträglichen) Eigenschaften nicht in demselben Grade vorfindet." (Aus 1885)

Die Aufbauzeit nach dem 1. Weltkrieg wurde wiederholt durch Meldungen über polnische Mobilmachungen und Angriffsabsichten der polnisch-französischen Allianz gegen Deutschland belastet. Eine Frage von großer örtlicher Bedeutung war aus Sicherheits- und Wirtschaftsgründen der Erhalt der Namslauer Garnison. Die Abwanderung. von Deutschen aus den polnisch gewordenen Gebieten an der Kreisgrenze und die Meldungen über den Umgang mit der deutschen Volksgruppe sorgten trotz der friedlichen Zeiten für eine gespannte Stimmung. Diese legte sich zunächst, als sich das deutschpolnische Klima mit dem Pakt vom Januar 1934 vorübergehend verbesserte. Im Zuge der Entwicklung zum 2. Weltkrieg kamen in den Grenzkreisen aber neue Befürchtungen auf, die erst wichen, als das Kreisgebiet im großen Rahmen Aufmarschgebiet wurde.

Nach den amtlichen Einwohnerverzeichnis von 1939 hatte der Kreis Namslau bei der Volkszählung 1933 eine Einwohnerzahl von 30.755 Menschen, die in der Kreisstadt und in 46 Landgemeinden wohnten. Während des Krieges war der Kreis Namslau Aufnahmegebiet für viele Landsleute aus der Kölner Region und für eine große Zahl von Rüstungsbetrieben. Luftangriffe waren bis weit in das Jahr 1944 nicht zu verzeichnen und die Bevölkerung wähnte sich vor dem Grauen des Krieges einigermaßen sicher. Erst als im August 1944 mit dem Bau der sogenannten "Bartold-Stellung" begonnen wurde, gab es bange Ahnungen, aber wohl kein Kreisbewohner konnte sich die Realitäten vorstellen, die ab Mitte Januar unser Leben bestimmten.

Am 19. Januar 1945 hörte der Kreis Namslau praktisch auf zu existieren. Zwar kamen nach Kriegsende zu den wenigen in der Heimat verbliebenen und das Kriegsende überlebenden Landsleuten einige Tausend in die Heimat zurück. Aber ihr Dortsein war nur eine kurze Episode, denn je nach Laune und Bedarf der polnischen Dienststellen erfolgte die Ausweisung.




nähere Einzelheiten aus der Geschichte Namslaus:

http://www.petrakreuzer.de/html/namslauer_chronik.php