von Gerhard Gospodarek |
Im Jahre 1932 baute mein Vater Johannes Gospodarek und seine Ehefrau Agnes Heik,
auf dem Grundstück ihrer Eltern, Paul Heik und Johanna geb. Schweda ,ein Haus
mit Stall. Im Jahre 1932 wurde ich geboren, 1935 meine Schwester Maria und 1937 mein
Bruder Alfred. Rechts neben uns wohnten meine Großeltern Heik, bei ihnen wohnten
ihr Sohn Paul mit Ehefrau Maria geb. Schwintek und den Kindern Cäcilie und Paul. Bis zur Kriegszeit hatten wir Kinder ein ganz normales unbeschwertes Leben. Die Propaganda machte vor uns bis dahin auch nicht halt, aber dann wurde es doch ernst. Da wir direkt an der Hauptstraße wohnten bekamen wir den Aufmarsch der Armee Ende August 1939 unmittelbar mit, alle wussten oder ahnten es passiert was. Die Straße war voll von Gespannen , LK Ws, Kanonen Munitionswagen usw. .Ein Teil der Schwirzer Männer war schon eingezogen, etliche meldeten sich freiwillig. Dazu gehörte auch mein Cousin Franz Biallas. Er war schon immer ein Wilddieb und das Schießen machte ihm Spaß. Der Förster Fuhrmann aus Städtel hatte ihn und den Wallek Franz schon eine Weile auf den Kieker. So war es kein Wunder das Franz zu den Scharfschützen ging . In der späteren Kriegszeit führte er uns seine Schießkünste hinter unserem Garten ,auf dem Feld vor. Wir stellten Büchsen oder Steine auf und er ballerte aus großer Entfernung auf das Zeug los und zu unserer Verwunderung, jeder Schuss ein Treffer. Für uns Kinder war er ein großer Held., er war später Träger des Verwundetenabzeichens in Gold. Ich ging zum Jungvolk , dabei waren die 10 bis 14jährigen. Wir gehörten auch zur HJ. Erstens wollte man kein Außenseiter sein und außerdem wurde es Pflicht Das schönste waren die Geländespiele, da konnten wir uns richtig austoben und Krieg spielen. Ich erinnere mich noch genau wie wir bei einer Nachtübung den Judenfriedhof stürmten. Um den Friedhof war eine große Mauer, es war gespenstisch und kribbelnd wie wir da auf dem Friedhof rum rannten. Mit Fackeln wurde der offene Brunnen beleuchtet, damit keiner rein fiel. Fand eine größere Veranstaltung statt ,kam der Jungbannftihrer aus Namslau und hielt seine Reden. Marcinek unser Jungzugführer musste ihm Rechenschaft ablegen. Eines Tages war auf dem Sportplatz ein großes Treffen , mit Schülern aus den umliegenden Ortschaften. Es war üben von Volkstänzen angesagt, das fand ich gar nicht gut und verdrückte mich. Walter D. verpfiff mich und es gab eine Standpauke. Er machte es wieder gut indem er zu Haus Kuchenmarken stibitzte und mir gab. Wir unteren Jahrgänge gingen in die evang. Schule zu Lehrer Zimm. Zu der Zeit wurden die Konfessionen schon gemeinsam unterrichtet. Eines Tages zündelte ein Junge aus Prygoszelle auf dem Nachhauseweg mit zusammen gesuchten Heuresten, es wurde dem Lehrer Zimm erzählt und der fackelte njcht lange . Am nächsten Tag in der Schule gab es die Strafe, der Junge musste sich über die Bank legen und dann gab es gewaltig Dresche. Ob Lehrer Zimm zu Militär kam oder kurzzeitig weg war, ist mir nicht mehr im Gedächtnis jedenfalls kam Lehrer Neugebauer. Ich weiß noch dass oft Ruth Krecks den Lehrer vertrat, sie war eine sehr gute Schülerin und ich habe sie bewundert. Je länger der Krieg dauerte um so mehr nahmen die Sammelaktionen zu. Es wurde alles gesammelt was irgendwie verwertbar war und auf dem Schulgelände untergebracht In einem Schuppen waren auch Frauenhygieneartikel eingelagert, die wir auf Wunsch der älteren Mädchen mitgehen ließen. Zum Ende des Krieges hatten wir in der Sakristei der Evang. Kirche Unterricht. Warum nicht in der Schule?, ich weiß es nicht mehr. Bevor der Russland Feldzug losging, war bei uns im Dorf wieder ein großer Aufmarsch der Armee. Es wurden bei den Leuten Einquartierungen vorgenommen. Wir bekamen einen Offizier mit dem sich unsere Mutter öfter anlegte ,da er die Nacht gern bei einer jungen Frau verbrachte, deren Mann bei Militär war. Unsere Mutter hatte kein Verständnis dafür. Sie war streng katholisch und das ging gegen ihren Glauben.. Das Militär hatte hinter dem Grundstück meines Stiefonkels, den Acker von Lempart übernommen und dort einen Exerzier- und Reitplatz eingerichtet. Dort verbrachte ich viel Zeit und schaute mir die Übungen an. Brauchte man ein Pferd zur Feldbearbeitung so konnte man sich eines ausborgen. Als der Krieg gegen Russland begann zog das Militär ab. Es wurden immer mehr Männer eingezogen, auch Ältere,.so mein Stiefonkel Anton Biallas, im Rahmen der Aktion Todt. Mein Vater war auch schon über 40, aber es gab kein Erbarmen. Er mußte zur Flak, nach NRW oder Niedersachsen, bis zum Kriegsende. Die Todes- und Vermissten Meldungen häuften sich. Manche Familien verloren 3 Männer. Es kamen immer mehr Fremdarbeiter meistens Polen, aber auch Franzosen. Jeder der eine Arbeitskraft brauchte konnte eine beantragen. Onkel Paul hatte eine Polin, Holupka hieß sie. Er hatte richtig Glück mit ihr, sie machte die gesamte Hausarbeit Seine Frau war im Winter 1941 gestorben. Wir hatten keine fremde Arbeitskraft. Es wurde immer mehr rationiert und die Bauern bekamen Abgaben aufgebrummt, die vom Ortsbauernführer Röpke kontrolliert wurden. Da in Schlesien lange Ruhe herrschte, waren bei uns im Dorfe Kinder aus dem Ruhrgebiet. Meine Verwandten aus NRW waren auch dabei und wohnten bei uns, kamen aber noch rechtzeitig wieder in ihre Heimat. Ende 1944 war es mit der Ruhe vorbei, die ersten russischen Flugzeuge kreuzten auf. Mein Cousin Konrad Biallas und ich, bauten im Hofgelände seiner Eltern einen Erdbunker, mein Onkel sagte damals und dies wird ein Massengrab, er sollte Recht behalten. Die Propaganda hielt die Leute dumm, so hofften viele das Blatt könne sich in letzter Minute wenden. Die Leute die zu der Zeit BBC hörten, wussten was bevor stand. So erzählte bei einem Namslauer Heimattreffen, die Frau von Konrad Sowa, das ihre Mutter und sie von Berlin 1944 zu ihren Großeltern Maciej, nach Schwirz gefahren sind, um den Bombenterror zu entgehen, mit dabei hatten sie ihr Radio. Am Abend wurde heimlich BBC gehört, eines von den Kindern musste draußen Schmiere stehen, denn auch in Schwirz war man vor Denunzianten nicht sicher. Da sie das deutschsprachige Programm hörten, konnte es jeder verstehen. Sie erinnerte sich noch an die Worte: Die russische Feuerwalze rollt auf Schlesien zu ohne Rücksicht auf Frauen und Kinder. Daraufhin packte ihre Mutter die Sachen und auf ging es per Zug nach Berlin, so sind sie dem Elend der Flucht entgangen, das uns noch bevor stand. Am 19. 1.45 war es soweit ,es ging los . Da wir kein eigenes Gespann hatten .fuhren wir auf den Wagen von Hannes Falke mit. Dazu gehörten, wir drei Gospodarekkinder, meine Mutter, mein Onkel Paul Heik mit seinen Kindern Cäcilie und Paul .und seiner Schwägerin Viktoria Schwintek aus Dammratsch, und Hannes Falke mit zwei Kindern, seine Frau war mit den kleinen Kinder schon weg. Familie Gawlitta fuhr mit eigenem Gespann, ebenso Familie. Pieszyk, mit bei ihnen auf dem Wagen waren Johann Krowiors mit Ehefrau, und Krowiors Schwiegertochter Maria mit ihren drei Söhnen Johannes, Alfred und Josef. Wir wollten mit unseren Wagen bei Ohlau über die Oderbrücke ,so wie der größte Teil des Schwirzer Trecks. Es ist mir unerklärlich warum wir es nicht schafften, entweder wir hatten den Haupttreck verloren, weil wir zu langsam waren, oder es war ein anderer Grund. Die Straße nach Ohlau war voll mit Flüchtlingen und Militär. Stellenweise ging es nicht vorwärts und nicht rückwärts. Daraufhin machten wir in Steindorf eine längere Rast, die Einheimischen hatten das Dorf bereits verlassen. Nach einiger Zeit sagte Onkel Paul,: Wir werden mal schauen ob der Bäcker noch Brot hier gelassen hat. Wir liefen bis zu einer Kurve, da sahen wir zu unserem Entsetzen die Russen kommen. Wir machten sofort kehrt marsch und alle rein ins Haus, doch sie hatten uns bereits gesehen. Mit vorgehaltener Waffe kamen sie ins Haus, erstmals wurden die Männer nach Waffen abgetastet, danach wurden sie ihre Uhren los. Anschließend plünderten sie die Fuhrwerke, was ihnen wertvoll erschien nahmen sie mit. Die Federbetten schlitzten sie alle auf, aber es kamen nur Federn raus. Als nächstes nahmen sie uns die Pferde weg, außer das eine von Glawitta, es hatte Huffäule. Ihre abgewrackten Gäule ließen sie zurück. Die Russen zogen weiter und ließen uns in Ruhe. Die Russenpferde wurden eingefangen und erst mal kräftig gefüttert, wir hatten es zu gut gemeint, einer nach dem anderen bekam Kolik und verreckte. Am nächsten Morgen verstauten wir unsere übrig gebliebenen Habseligkeiten auf Glawittas Wagen und dann machten wir uns auf den Heimweg Richtung Schwirz,. wir erfreuten uns überlebt zu haben. Was wir dann auf der Hauptstraße sahen erschütterte uns bis ins Mark. Der Straßengraben bis obenhin voll mit Leichen darunter Frauen Kinder und viele deutsche Soldaten .z.T. einfach mit den Panzern überrollt und zerquetscht. Diese Bilder bin ich bis heut nicht losgeworden und sehe sie vor mir, als wäre es gestern geschehen.. Unterwegs sahen wir wie ein mir bekanntes Mädel aus Brandigen von den Russen in ein Haus geschleppt wurde, sie schrie fürchterlich. Sie war 12 oder 13 Jahre. Die Eltern standen hilflos weinend vor dem Haus und konnten nichts tun. Es ging weiter, da das eine Pferd den Wagen kaum schaffte ,mussten alle kräftig schieben, so kamen wir bis Eckersdorf. Wir machten Rast und ließen uns in einer Wohnung nieder. Onkel Paul schlich los, in Schwirz die Lage zu peilen. Auf Fahrrädern kam ihm Herr Wawrock aus Schwirz entgegen ,mit dabei hatte er seine polnische Arbeiterin. Er sagte um Gottes Willen fahrt nicht nach Schwirz, die Russen schießen alle tot Onkel Paul kam zurück und es wurde beratschlagt was nun zu tun sei. Plötzlich kam ein Russe rein ,er wollte die Dokumente sehen. Wir hatten keine ,die sind in Steindorf verschütt gegangen. Der Russe wurde von den anderen wieder raus gerufen , nach einer Weile kam ein großer Offizier rein, zündete ein Streichholz an um uns besser sehen zu können , erblickte meinen Onkel und schoss ihn in den Hals, er verstarb sofort. Nun wendete er sich Familie Glawitta zu, die auf dem Sofa saßen. Frau Glawitta sagte auf Polnisch das ist mein Sohn, doch der Russe schoss ihn, ohne zu zögern in die Brust. Hannes fiel nach hinten über ,reichte seiner Schwester die Hand und verstarb. Wir waren total geschockt und warteten darauf wer ist der Nächste. Es passierte nichts, wir legten die Leichen auf die Betten und verließen das Haus, da die Russen es angeblich sprengen wollten. Das Nachbarhaus war abgebrannt, so setzten wir uns in die Futterküche und warteten bis die Russen abgehauen waren. Hannes Falke ging daraufhin zurück ins Haus und sah dass die Leichen bis auf die Unterwäsche ausgezogen waren. Wir ließen sie liegen und machten uns auf den Weg nach Schwirz. Ziemlich am Dorf Anfang kehrten wir bei Frau Tronschik ein. Sie hatte den Einmarsch der Russen überlebt. Sie kochte uns Tee und es wurde überlegt was zu tun sei. Nebenan auf dem Grundstück von Sowa tobten die Russen rum. Plötzlich kam ein deutscher Soldat unter Waffen rein, wir erschraken denn das hätte den sicheren Tod bedeutet, wenn die Russen es bemerkten. Wir bedrängten ihn ,er möge verschwinden er verschwand. Nun wollten wir weiter nach Hause. Bei uns wagten wir es nicht zu bleiben .unser Haus war direkt an der Straße. Wir quartierten uns bei Pieszyk ein. Nun mussten wir unserer Oma, die in Schwirz geblieben war, die Geschehnisse der vergangenen Tage erzählen, schon als sie uns sah ,brach sie in Tränen aus. Sie hatte gehofft das wir es über die Oder schaffen und nun waren wir wieder da und ihr Sohn lag erschossen in Eckersdorf. Als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, sagte sie uns was sich beim Einmarsch der Russen abspielte. Oma und Opa blieben auf ihrem Grundstück um das Viehzeug zu versorgen. Da sie schon die siebzig überschritten hatten, wollten sie nicht mehr trecken. Oma bereitete gerade das Frühstück vor, für Opa und drei Volkssturmmänner, die sich zu dieser Zeit in ihrer Stube aufhielten., da flog die Türe auf und die Russen kamen reingestürmt schlugen auf die Volkssturmmänner ein und führten sie raus. In der neuen Scheune, die Onkel Paul erbaut hatte, wurden gleich zwei auf der Tenne und einer im Bansen erschossen. Die Russen machten in Schwirz keine Gefangenen. Hinter unserem Haus lag ein toter Soldat, neben an bei Anton Biallas im Kuhstall auch einer, er war von den Kühen ganz breit getreten und hinter der Scheune noch ein Landser. Bei einem der Männer hatten sie den Finger abgeschnitten, wegen des Ringes. Auch haben sie beim Einmarsch die alten Männer Polozek, Niewa und Maciej erschossen. Den alten Trschewik hatten sie schwer verletzt er starb nach einem Monat ,es hat ihm keiner geholfen. Sein Sohn Gerhard und seine Frau wurden auch umgebracht. Tochter Martha überlebte. Sie kam nach dem Krieg im Land Brandenburg unter und verstarb in Doberlug-Kirchheim. Die Soldaten und Volkssturmmänner wurden in den Bunker ,den ich und Konrad Biallas gebaut hatten beerdigt, dazu legten wir noch etliche Karabiner mit hinein. Ich war bei dieser Aktion persönlich dabei, auch halfen mit Johannes Krowiors, sein Opa und Karl Pieszyk. Wer die Soldaten, die hinter unseren Grundstücken auf den Feldern lagen beerdigte, weiß ich nicht.
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