Erinnerungen an Schwirz

von Gerhard Gospodarek

wspomnienia G. Gospodarek z Swierczowa

Im Jahre 1932 baute mein Vater Johannes Gospodarek und seine Ehefrau Agnes Heik, auf dem Grundstück ihrer Eltern, Paul Heik und Johanna geb. Schweda ,ein Haus mit Stall. Im Jahre 1932 wurde ich geboren, 1935 meine Schwester Maria und 1937 mein Bruder Alfred. Rechts neben uns wohnten meine Großeltern Heik, bei ihnen wohnten ihr Sohn Paul mit Ehefrau Maria geb. Schwintek und den Kindern Cäcilie und Paul.
Links von uns wohnten mein Stiefonkel Anton Biallas mit seiner Ehefrau Margarete geb .Kapitza und seinen Kinder ,Gertrud, Elisabeth, Konrad und Maria verh. Biniok mit drei ihrer Kinder. Sie nahm später noch zwei Kinder ihrer Schwägerin zu sich ,da diese verstarb. Die Söhne Franz und Anton waren beim Militär, Anton ist im Kriege zeitig gefallen. Ein Kind ist mit 12 Jahren verstorben. Auch hatte ich noch mehrere Onkel mit Familie in Schwirz wohnen, d.h. wir waren mit Verwandtschaft reichlich gesegnet und zum Spielen fanden sich genug Kinder. Mein Vater war Stellmacher, er erlernte seinen Beruf beim Stellmacher Pollotzek in Schwirz, später arbeitete er im Sägewerk oder auf dem Bau. Mutter versorgte das Viehzeug, d.h. lKuh mit jährlich einem Kalb, das gemästet und dann an einen Händler verkauft wurde., 2 Schweine die jährlich geschlachtet wurden und allerhand Federvieh. Unser Gemüsegarten war immer gut bestellt, Mutter und Oma sorgten für die Winterzeit ausreichend vor, ich weiß noch dass Oma ganze Kohlköpfe einsäuerte und Mutter Weintrauben, die bei uns am Hause wuchsen ,einkochte. Wenn die Fuhrwerke vom Vorwerk Lippe im Herbst mit Zuckerrüben durchs Dorf fuhren besorgten wir Kinder Zuckerrüben, woraus unsere Mutter Sirup kochte. Eigenes Land besaßen wir nicht, wir hatten einige Morgen Acker zur Pacht, bearbeitet wurden die Flächen von Onkel Paul, er hatte ein Pferd und immer ein oder zwei Ochsen, oder einer von den größeren Bauern pflügte uns den Acker. Es wurde sich untereinander viel geholfen, allein hätte man die Landwirtschaft im Nebenerwerb nicht geschafft. Im Winter wurde das Getreide gedroschen, das in dem Bansen lag. Onkel Paul und unser Vater beschäftigten sich zu dieser Jahreszeit mit Reparaturen der Bauernwagen, Neuanfertigung von Harken, allen möglichen Stielen, Zaunbau und es war die Zeit um Brennholz zu besorgen. Das war die größte Schinderei, es wurden im Staatsforst Stubben gerodet und ofenfertig zu recht gemacht Zur Winters Zeit kamen die Bauleute (Maurer Zimmerleute)wieder in die Heimat zurück. Es gab bei uns im Dorf viele Handwerker und da die Arbeit knapp war, gingen sie in die Fremde. Mein Onkel Anton Heik, Paul Nawrot und Richard Piezsyk arbeiteten in Cuxhaven .Allerhand junge Frauen gingen nach Berlin in Stellung und blieben dort für immer. Mein Onkel Josef Gospodarek ging nach NRW und wurde dort ansässig.

Bis zur Kriegszeit hatten wir Kinder ein ganz normales unbeschwertes Leben. Die Propaganda machte vor uns bis dahin auch nicht halt, aber dann wurde es doch ernst. Da wir direkt an der Hauptstraße wohnten bekamen wir den Aufmarsch der Armee Ende August 1939 unmittelbar mit, alle wussten oder ahnten es passiert was. Die Straße war voll von Gespannen , LK Ws, Kanonen Munitionswagen usw. .Ein Teil der Schwirzer Männer war schon eingezogen, etliche meldeten sich freiwillig. Dazu gehörte auch mein Cousin Franz Biallas. Er war schon immer ein Wilddieb und das Schießen machte ihm Spaß. Der Förster Fuhrmann aus Städtel hatte ihn und den Wallek Franz schon eine Weile auf den Kieker. So war es kein Wunder das Franz zu den Scharfschützen ging . In der späteren Kriegszeit führte er uns seine Schießkünste hinter unserem Garten ,auf dem Feld vor. Wir stellten Büchsen oder Steine auf und er ballerte aus großer Entfernung auf das Zeug los und zu unserer Verwunderung, jeder Schuss ein Treffer. Für uns Kinder war er ein großer Held., er war später Träger des Verwundetenabzeichens in Gold. Ich ging zum Jungvolk , dabei waren die 10 bis 14jährigen. Wir gehörten auch zur HJ. Erstens wollte man kein Außenseiter sein und außerdem wurde es Pflicht Das schönste waren die Geländespiele, da konnten wir uns richtig austoben und Krieg spielen. Ich erinnere mich noch genau wie wir bei einer Nachtübung den Judenfriedhof stürmten. Um den Friedhof war eine große Mauer, es war gespenstisch und kribbelnd wie wir da auf dem Friedhof rum rannten. Mit Fackeln wurde der offene Brunnen beleuchtet, damit keiner rein fiel. Fand eine größere Veranstaltung statt ,kam der Jungbannftihrer aus Namslau und hielt seine Reden. Marcinek unser Jungzugführer musste ihm Rechenschaft ablegen. Eines Tages war auf dem Sportplatz ein großes Treffen , mit Schülern aus den umliegenden Ortschaften. Es war üben von Volkstänzen angesagt, das fand ich gar nicht gut und verdrückte mich. Walter D. verpfiff mich und es gab eine Standpauke. Er machte es wieder gut indem er zu Haus Kuchenmarken stibitzte und mir gab. Wir unteren Jahrgänge gingen in die evang. Schule zu Lehrer Zimm. Zu der Zeit wurden die Konfessionen schon gemeinsam unterrichtet. Eines Tages zündelte ein Junge aus Prygoszelle auf dem Nachhauseweg mit zusammen gesuchten Heuresten, es wurde dem Lehrer Zimm erzählt und der fackelte njcht lange . Am nächsten Tag in der Schule gab es die Strafe, der Junge musste sich über die Bank legen und dann gab es gewaltig Dresche. Ob Lehrer Zimm zu Militär kam oder kurzzeitig weg war, ist mir nicht mehr im Gedächtnis jedenfalls kam Lehrer Neugebauer. Ich weiß noch dass oft Ruth Krecks den Lehrer vertrat, sie war eine sehr gute Schülerin und ich habe sie bewundert. Je länger der Krieg dauerte um so mehr nahmen die Sammelaktionen zu. Es wurde alles gesammelt was irgendwie verwertbar war und auf dem Schulgelände untergebracht In einem Schuppen waren auch Frauenhygieneartikel eingelagert, die wir auf Wunsch der älteren Mädchen mitgehen ließen. Zum Ende des Krieges hatten wir in der Sakristei der Evang. Kirche Unterricht. Warum nicht in der Schule?, ich weiß es nicht mehr. Bevor der Russland Feldzug losging, war bei uns im Dorf wieder ein großer Aufmarsch der Armee. Es wurden bei den Leuten Einquartierungen vorgenommen. Wir bekamen einen Offizier mit dem sich unsere Mutter öfter anlegte ,da er die Nacht gern bei einer jungen Frau verbrachte, deren Mann bei Militär war. Unsere Mutter hatte kein Verständnis dafür. Sie war streng katholisch und das ging gegen ihren Glauben.. Das Militär hatte hinter dem Grundstück meines Stiefonkels, den Acker von Lempart übernommen und dort einen Exerzier- und Reitplatz eingerichtet. Dort verbrachte ich viel Zeit und schaute mir die Übungen an. Brauchte man ein Pferd zur Feldbearbeitung so konnte man sich eines ausborgen. Als der Krieg gegen Russland begann zog das Militär ab. Es wurden immer mehr Männer eingezogen, auch Ältere,.so mein Stiefonkel Anton Biallas, im Rahmen der Aktion Todt. Mein Vater war auch schon über 40, aber es gab kein Erbarmen. Er mußte zur Flak, nach NRW oder Niedersachsen, bis zum Kriegsende. Die Todes- und Vermissten Meldungen häuften sich. Manche Familien verloren 3 Männer. Es kamen immer mehr Fremdarbeiter meistens Polen, aber auch Franzosen. Jeder der eine Arbeitskraft brauchte konnte eine beantragen. Onkel Paul hatte eine Polin, Holupka hieß sie. Er hatte richtig Glück mit ihr, sie machte die gesamte Hausarbeit Seine Frau war im Winter 1941 gestorben. Wir hatten keine fremde Arbeitskraft. Es wurde immer mehr rationiert und die Bauern bekamen Abgaben aufgebrummt, die vom Ortsbauernführer Röpke kontrolliert wurden. Da in Schlesien lange Ruhe herrschte, waren bei uns im Dorfe Kinder aus dem Ruhrgebiet. Meine Verwandten aus NRW waren auch dabei und wohnten bei uns, kamen aber noch rechtzeitig wieder in ihre Heimat. Ende 1944 war es mit der Ruhe vorbei, die ersten russischen Flugzeuge kreuzten auf. Mein Cousin Konrad Biallas und ich, bauten im Hofgelände seiner Eltern einen Erdbunker, mein Onkel sagte damals und dies wird ein Massengrab, er sollte Recht behalten. Die Propaganda hielt die Leute dumm, so hofften viele das Blatt könne sich in letzter Minute wenden. Die Leute die zu der Zeit BBC hörten, wussten was bevor stand. So erzählte bei einem Namslauer Heimattreffen, die Frau von Konrad Sowa, das ihre Mutter und sie von Berlin 1944 zu ihren Großeltern Maciej, nach Schwirz gefahren sind, um den Bombenterror zu entgehen, mit dabei hatten sie ihr Radio. Am Abend wurde heimlich BBC gehört, eines von den Kindern musste draußen Schmiere stehen, denn auch in Schwirz war man vor Denunzianten nicht sicher. Da sie das deutschsprachige Programm hörten, konnte es jeder verstehen. Sie erinnerte sich noch an die Worte: Die russische Feuerwalze rollt auf Schlesien zu ohne Rücksicht auf Frauen und Kinder. Daraufhin packte ihre Mutter die Sachen und auf ging es per Zug nach Berlin, so sind sie dem Elend der Flucht entgangen, das uns noch bevor stand.

Am 19. 1.45 war es soweit ,es ging los . Da wir kein eigenes Gespann hatten .fuhren wir auf den Wagen von Hannes Falke mit. Dazu gehörten, wir drei Gospodarekkinder, meine Mutter, mein Onkel Paul Heik mit seinen Kindern Cäcilie und Paul .und seiner Schwägerin Viktoria Schwintek aus Dammratsch, und Hannes Falke mit zwei Kindern, seine Frau war mit den kleinen Kinder schon weg. Familie Gawlitta fuhr mit eigenem Gespann, ebenso Familie. Pieszyk, mit bei ihnen auf dem Wagen waren Johann Krowiors mit Ehefrau, und Krowiors Schwiegertochter Maria mit ihren drei Söhnen Johannes, Alfred und Josef. Wir wollten mit unseren Wagen bei Ohlau über die Oderbrücke ,so wie der größte Teil des Schwirzer Trecks. Es ist mir unerklärlich warum wir es nicht schafften, entweder wir hatten den Haupttreck verloren, weil wir zu langsam waren, oder es war ein anderer Grund. Die Straße nach Ohlau war voll mit Flüchtlingen und Militär. Stellenweise ging es nicht vorwärts und nicht rückwärts. Daraufhin machten wir in Steindorf eine längere Rast, die Einheimischen hatten das Dorf bereits verlassen. Nach einiger Zeit sagte Onkel Paul,: Wir werden mal schauen ob der Bäcker noch Brot hier gelassen hat. Wir liefen bis zu einer Kurve, da sahen wir zu unserem Entsetzen die Russen kommen. Wir machten sofort kehrt marsch und alle rein ins Haus, doch sie hatten uns bereits gesehen. Mit vorgehaltener Waffe kamen sie ins Haus, erstmals wurden die Männer nach Waffen abgetastet, danach wurden sie ihre Uhren los. Anschließend plünderten sie die Fuhrwerke, was ihnen wertvoll erschien nahmen sie mit. Die Federbetten schlitzten sie alle auf, aber es kamen nur Federn raus. Als nächstes nahmen sie uns die Pferde weg, außer das eine von Glawitta, es hatte Huffäule. Ihre abgewrackten Gäule ließen sie zurück. Die Russen zogen weiter und ließen uns in Ruhe. Die Russenpferde wurden eingefangen und erst mal kräftig gefüttert, wir hatten es zu gut gemeint, einer nach dem anderen bekam Kolik und verreckte. Am nächsten Morgen verstauten wir unsere übrig gebliebenen Habseligkeiten auf Glawittas Wagen und dann machten wir uns auf den Heimweg Richtung Schwirz,. wir erfreuten uns überlebt zu haben. Was wir dann auf der Hauptstraße sahen erschütterte uns bis ins Mark. Der Straßengraben bis obenhin voll mit Leichen darunter Frauen Kinder und viele deutsche Soldaten .z.T. einfach mit den Panzern überrollt und zerquetscht. Diese Bilder bin ich bis heut nicht losgeworden und sehe sie vor mir, als wäre es gestern geschehen.. Unterwegs sahen wir wie ein mir bekanntes Mädel aus Brandigen von den Russen in ein Haus geschleppt wurde, sie schrie fürchterlich. Sie war 12 oder 13 Jahre. Die Eltern standen hilflos weinend vor dem Haus und konnten nichts tun. Es ging weiter, da das eine Pferd den Wagen kaum schaffte ,mussten alle kräftig schieben, so kamen wir bis Eckersdorf. Wir machten Rast und ließen uns in einer Wohnung nieder. Onkel Paul schlich los, in Schwirz die Lage zu peilen. Auf Fahrrädern kam ihm Herr Wawrock aus Schwirz entgegen ,mit dabei hatte er seine polnische Arbeiterin. Er sagte um Gottes Willen fahrt nicht nach Schwirz, die Russen schießen alle tot Onkel Paul kam zurück und es wurde beratschlagt was nun zu tun sei. Plötzlich kam ein Russe rein ,er wollte die Dokumente sehen. Wir hatten keine ,die sind in Steindorf verschütt gegangen. Der Russe wurde von den anderen wieder raus gerufen , nach einer Weile kam ein großer Offizier rein, zündete ein Streichholz an um uns besser sehen zu können , erblickte meinen Onkel und schoss ihn in den Hals, er verstarb sofort. Nun wendete er sich Familie Glawitta zu, die auf dem Sofa saßen. Frau Glawitta sagte auf Polnisch das ist mein Sohn, doch der Russe schoss ihn, ohne zu zögern in die Brust. Hannes fiel nach hinten über ,reichte seiner Schwester die Hand und verstarb. Wir waren total geschockt und warteten darauf wer ist der Nächste. Es passierte nichts, wir legten die Leichen auf die Betten und verließen das Haus, da die Russen es angeblich sprengen wollten. Das Nachbarhaus war abgebrannt, so setzten wir uns in die Futterküche und warteten bis die Russen abgehauen waren. Hannes Falke ging daraufhin zurück ins Haus und sah dass die Leichen bis auf die Unterwäsche ausgezogen waren. Wir ließen sie liegen und machten uns auf den Weg nach Schwirz. Ziemlich am Dorf Anfang kehrten wir bei Frau Tronschik ein. Sie hatte den Einmarsch der Russen überlebt. Sie kochte uns Tee und es wurde überlegt was zu tun sei. Nebenan auf dem Grundstück von Sowa tobten die Russen rum. Plötzlich kam ein deutscher Soldat unter Waffen rein, wir erschraken denn das hätte den sicheren Tod bedeutet, wenn die Russen es bemerkten. Wir bedrängten ihn ,er möge verschwinden er verschwand. Nun wollten wir weiter nach Hause. Bei uns wagten wir es nicht zu bleiben .unser Haus war direkt an der Straße. Wir quartierten uns bei Pieszyk ein. Nun mussten wir unserer Oma, die in Schwirz geblieben war, die Geschehnisse der vergangenen Tage erzählen, schon als sie uns sah ,brach sie in Tränen aus. Sie hatte gehofft das wir es über die Oder schaffen und nun waren wir wieder da und ihr Sohn lag erschossen in Eckersdorf. Als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, sagte sie uns was sich beim Einmarsch der Russen abspielte. Oma und Opa blieben auf ihrem Grundstück um das Viehzeug zu versorgen. Da sie schon die siebzig überschritten hatten, wollten sie nicht mehr trecken. Oma bereitete gerade das Frühstück vor, für Opa und drei Volkssturmmänner, die sich zu dieser Zeit in ihrer Stube aufhielten., da flog die Türe auf und die Russen kamen reingestürmt schlugen auf die Volkssturmmänner ein und führten sie raus. In der neuen Scheune, die Onkel Paul erbaut hatte, wurden gleich zwei auf der Tenne und einer im Bansen erschossen. Die Russen machten in Schwirz keine Gefangenen. Hinter unserem Haus lag ein toter Soldat, neben an bei Anton Biallas im Kuhstall auch einer, er war von den Kühen ganz breit getreten und hinter der Scheune noch ein Landser. Bei einem der Männer hatten sie den Finger abgeschnitten, wegen des Ringes. Auch haben sie beim Einmarsch die alten Männer Polozek, Niewa und Maciej erschossen. Den alten Trschewik hatten sie schwer verletzt er starb nach einem Monat ,es hat ihm keiner geholfen. Sein Sohn Gerhard und seine Frau wurden auch umgebracht. Tochter Martha überlebte. Sie kam nach dem Krieg im Land Brandenburg unter und verstarb in Doberlug-Kirchheim. Die Soldaten und Volkssturmmänner wurden in den Bunker ,den ich und Konrad Biallas gebaut hatten beerdigt, dazu legten wir noch etliche Karabiner mit hinein. Ich war bei dieser Aktion persönlich dabei, auch halfen mit Johannes Krowiors, sein Opa und Karl Pieszyk. Wer die Soldaten, die hinter unseren Grundstücken auf den Feldern lagen beerdigte, weiß ich nicht.


Die erschossenen Zivilisten wurden provisorisch auf dem Hof von Purmanns Auszugshäusel verscharrt und mit Kartoffelkraut zugedeckt. Im spätem Frühjahr baute der alte Krowiors und Karl Pieszyk einfache Bretterkisten, in denen die Toten mit Haken rein gezogen wurden. Dabei war u.a. Hans Pollozek. Er war mit Angehörigen am 31.5. 45 nach Schwirz zurück gekehrt. Nun noch etwas zu Onkel Paul und Hannes Glawitta. Unsere Oma, Pfarrer Meisel, Johann Krowiors und Frau Glawitta machten sich mit einem von der Kommandantur geborgten Ochsen und den Leichenwagen auf nach Eckersdorf um die Toten zu holen. Sie wurden in Schwirz an der Katholischen Kirche beerdigt. Wir zogen nach einigen Tagen zu meiner Oma in ihre Auszugstube, wir wohnten dort dicht gedrängt, aber wir fühlten uns ein wenig sicherer. Abends wurde immer alles verriegelt und verrammelt, denn die Russen waren auch in der Nacht unterwegs.


Die ersten Wochen und Monate war die schlimmste Zeit in Schwirz, besonders für die Frauen. Klara P. bedrängten die Russen so oft, das sie es nicht länger aushielt und sich dem Kommandanten unterstellte. Die Russen versuchten ein bisschen zu organisieren. Die Frauen mussten die herrenlosen Kühe zusammen treiben ,sie versorgen und melken. Einige kochten für die Russen. Wir Männer, ich zähle mich einfach dazu, wurden auch zum arbeiten ran gezogen. Einige Tage sackten wir auf dem Restgut von Frauenholz Getreide ein. War die Luft rein ,wurden halb volle Säcke durch eine Luke auf den Misthaufen geschmissen. Dort stand einer und deckte sie mit Mist zu, abends wurden sie geholt. Es war gefährlich, aber durch die ständige Gefahr war man schon abgebrüht. Mit meinem Bruder schlichen wir uns bei Frauenholz zum Hühnerstall. Alfred musste durch das Hühnerloch kriechen und Hühner klauen. Bei meinem Onkel Josef Heik, der nicht wieder zurückkam, holte ich auch noch einige Hühner. Wie schon gesagt, unsere Großeltern hatten ihr Kühe behalten und so erhielten wir täglich frische Milch. In der Bäckerei Viehweger buk ein Deutscher, der uns fremd war, für die Russen Brot. Das Mehl holten die Russen aus Städtel von der Mühle Hoffmarin. Zu dieser Zeit litten wir keinen Hunger, denn in den leer stehenden Häusern befanden sich genug Lebensmittel Im Frühjahr 45 kamen die Polen, als neue Herren Sie nahmen die leer stehenden Häuser in Beschlag und richteten sich ein. In fast allen Häusern waren die Einrichtungen komplett vorhanden. Sie hatten einen leichteren Anfang, als wir nach der Vertreibung. In der Zwischenzeit waren wir wieder in unser Haus gezogen Wir bekamen von Oma eine Kuh und hatten somit unsere eigene Milch. Opa Heik starb im März 45 .Nun hatte unsere Mutter noch mehr Verantwortung. So musste den jungen Ochsen das Ziehen bei gebracht werden, nach vielen Mühen und Ärger schafften wir es. Eine Kuh nach der anderen wurde unserer Oma von den Polen weggenommen, man konnte nichts dagegen tun. Je mehr Polen kamen umso weniger Kühe hatte Oma ,bis sie auch die letzte nahmen. Wir wurden so auch wieder kuhfrei. Gehorchte man nicht, kamen sie mit den russischen Soldaten an und die drohten gleich mit der Erschießung. Ich weiß noch wie ein Offizier besoffen rum lamentierte er wolle alle Deutschen umbringen er hantierte so lange mit seinen Handgranaten rum, bis es einen Knall gab und er war hinüber. Als der Krieg vor bei war, kamen viele Schwirzer zurück. . Stanislaus Wallek und Frau kamen mit einem Pferd und Wagen, sie zogen für kurze Zeit bei uns ein. Lemparts kamen mit einem Pferdegespann und ihren großen gummibereiften Wagen, den nahmen ihnen die Russen gleich ab. Ein Pferd wurde ihnen geklaut und das andere nahmen später die Polen Mit bei Lempart war ihr polnischer Arbeiter. Er war mit ihnen bis in den Sudetengau getreckt und als Herr Lempard in Leitmeritz verstarb, fühlte er sich für die Frauen verantwortlich. Er sorgte bei den Tschechen dafür das sie Pferd und Wagen behielten und treckte mit ihnen zurück bis Schwirz. Die anderen kamen mit Handwagen irgend welchen Karren, oder mit nichts. Es war elendig wie sie ankamen, einst stolze Menschen, nun abgemergelt und verarmt Sobannias waren auch unter ihnen ,es waren mehrere Schwestern und fünf Kinder. Sie zogen wieder in ihr Haus. Am Abend oder Nachts ,wenn die Russen aufkreuzten, öffneten sie das Fenster und schrien alle ganz fürchterlich, um die Russen ab zuschrecken. Mein Onkel Johann Stanchly , seine Frau Anna gebr. Heik und die Töchter, .Hildegard und Hedwig waren mit dem Bauer Busse bis in den Sudetengau gefahren, nun kamen sie zu Fuß zurück. Die älteste Tochter Martha war vor dem Krieg schon nach Berlin gegangen. Sie verzog später mit einem GI in die USA. Familie Stanchly zog in Onkel Pauls Wohnung. Das Haus von Josef Heik in dem sie vorher wohnten, hatten die Russen abgebrannt. Onkel Johann war nicht bei Militär da er krank war, nun dauerte es nicht lange und er wurde bettlägerig .Die Polen kamen wieder mit einem besoffenen Russen, um Beute zu machen und nahmen was sie brauchten. Sie klauten von meinem Onkel Johann das Federbett, das gab ihm den Rest und er verstarb. Nach einigen Monaten kam mein Vater wieder zurück, als Ruine. Die Polen hatten ihn gefangen genommen und tagelang malträtiert, nächtelang zum Verhör und stundenlang im kalten Wasser stehen. Dann musste er in Oberschlesien in die Kohlegruben. Er hat sich davon nie richtig erholt und verstarb mit 58 Jahren in Göme Kreis Rathenow. Es kamen immer mehr Polen und da die leeren Häuser mittlerweile besetz waren, machten sie sich in den von Deutschen bewohnten Häusern breit. Bei uns zog eine fünfköpfige Familie ein, sie belegten das große Zimmer und die Küche . Wir mußten in die Bodenkammer und Familie Wallek hatten ein Zimmer, bis ihr zerstörtes Haus wieder bewohnbar war. Der Pole (Woretzky) war ein abgedankter Offizier, mit ihm war kein gutes Auskommen .Die Küche durften wir nicht mehr benutzen.


Das nächste Negativereignis ließ nicht lange auf sich warten. Irgendjemand hatte eine polnische Fahne in die Jauchengrube geschmissen, fast an jedem Haus hatten sie eine hin gebammelt. Nun war richtig was los, die polnische Miliz kam und pflasterte auf alles ein, was deutsch war. Mein Vater und ich befanden uns auf dem Felde. Meine Schwester kam angerannt und brüllte schon von weiten, sie wüten bei Pieszyk auf dem Hof, ihr Grundstück war schräg gegenüber von meiner Oma. Als Vater und ich eintrafen Jiatten sie sich schon in ihrem Suff aus getobt und sind nach Bankwiz gefahren, dort war eine Nebenstelle der Miliz. In Schwirz wurde ein kleiner Laden eingerichtet dort konnte das Nötigste eingekauft werden, bloß Geld hatte wir nicht., Unsere Reichsmark war nichts mehr wert. Meine Kameraden Hans Swiers und Leopold Thomas, der bei seinem Onkel Gustav Kreks untergekommen war, gingen rüber nach Oberschlesien um etwas Ware zu besorgen. Auf der Rücktour kamen sie bei meiner Oma vorbei, ich saß dort in einem Strohhaufen. Hans blieb bei mir und erzählte von der Tour.


Leopold wollte zu seinem Onkel, da erwischte ihm ein polnischer Milizionär und kam mit ihm auf uns zu, ich ahnte Böses und stobte davon, versteckte mich im Keller eines abgebrannten Hauses und ließ erst mal einige Stunden verstreichen. Hans und Leopold waren für etliche Tage verschwunden. Als sie wieder in Schwirz aufkreuzten hatte man sie übel zugerichtet. Zuerst wurden sie in Bankwiz tagelang zerschlagen ,dann kamen sie nach Namslau zum Verhör und wurden von dort nach Schwirz entlassen. Hans hat darunter noch jahrelang gelitten, ihm wurde erst geholfen als er von der Ostzone nach dem Westen abgehauen war. Trotz allem, wir mussten mit den Polen zurecht kommen und sie mit uns. Die Felder wurden 1944 noch ordnungsgemäß bestellt, so musste nun im Sommer 45, die Ernte ein gebracht werden. Es war nicht einfach wem gehört was, wer bekommt was. Stanislaus Wallek übernahm etwas Verantwortung und wies die Polen ein, welche Felder und Wiesen zu welchen Grundstücken gehören. Irgend wie wurschtelten wir uns durch. Unsere Oma hatte einen Backofen, dort buken wir, Oma und Stanchlys. Wir hatten noch etwas Korn auf unserem Boden und das hütete Mutter wie ihren Augapfel. Die Familie von, meinem Stiefonkel Anton Biallas, wurde am 19. 1 .noch vom deutschem Militär mit genommen, von ihnen kam keiner zurück nach Schwirz. In ihr Haus zogen gleich Polen ein. Das erste was unsere Leute taten als sie im Mai / Juni zurück kamen sie pflanzten Kartoffeln. Vom Fleischer Pohl wurden die Deutschen , im Auffrag der Russen, zur Arbeit zusammen geholt. Wir wurden dann mit dem Lkw zum Vorwerk Lippe zum arbeiten auf die Felder gebracht. Es war ein erbärmliches Leben, keiner wusste was die Zukunft bringt. Im Herbst 1946 kam die Aufforderung, die Sachen zu packen und bereit zu sein zur Aussiedlung. Es wurde uns angeboten für Polen zur optieren, um in der Heimat zu bleiben. Die große Mehrheit lehnte es ab. Wir wurden nach Namslau zum Bahnhof gebracht, dort wurden wir von den Polen durchsucht ,was sie gebrauchen konnten nahmen sie uns weg. Wir wurden nochmals aufgefordert für Polen zu optieren, aber keiner tat es mehr. So ging es ab in die Viehwaggons und wir führen bis zur neuen Grenze, dort wurde nochmals geworben für Polen zu optieren, es tat keiner, nach der nun letzten Ausplünderung gab es zum Abschied eine Dosis Läusepulver unters Hemd geblasen und dann führen wir weiter bis Rathenow. Dort wurden wir in großen Steinbaracken untergebracht. Die Verpflegung war hundsmiserabel. Unsere Mutter hatte einen Beutel mit Mehl dabei, so dass sie die Wassersuppe ein bißchen andicken konnte. Wir waren froh als die 14 Tage vorbei waren. Nun hieß es, auf zum Bahnhof.es geht weiter, es waren nur einige Stationen, in der Kleinstadt Rhinow wurden wir ausgeladen und auf die dort wartenden Bauerngespanne verteilt. Nun ging es ab auf die einzelnen Dörfer, wir wurden in Görne bei einem Bauern einquartiert. Dies war nun unsere neue Heimat und es begann der nächste Lebensabschnitt