Die Kartoffelverwertungs-Genossenschaft Namslau eGmbH (Kartoffelfabrik)   


   Der Schloßherr von Seydlitzruh, Hermann Schneider erklärte Dr.Heinrich bei seinem Antrittsbesuch in seinem Schloß (dem Schlesischen Sans-Souci) „der Landwirtschaft geht es nur gut, wenn in der Nähe der Landwirtschaft die Schornsteine rauchen.“ Es fand eine Beratung statt, was zu tun sei. Der Boden nördlich der B 117, die den Kreis Namslau von Wilkau nach Noldau durchschnitt, war ein sandiger Kartoffelboden und diese Kartoffeln wurden bis 1938 nach Mitteldeutschland verkauft, wo sie dort als angeschlagene Ware ankamen und zu einem niedrigeren Preis (unter 2 RM pro Zentner) verkauft werden mußten. Auf der anderen Seite war der Händler Erich Kynast in Namslau. Er wurde der „Schlesische Kartoffelkönig“ genannt. Er erklärte sich zur Belieferung von großen Mengen Kartoffeln, die sich zum Trocknen eigneten, bereit. Der Landwirt Braune-Krickau berief im Januar 1939 in Absprache mit Landrat Dr.Heinrich eine Versammlung von Bauern und Landwirten ein. Es wurden spontan 50.000 RM Anteile von den anwesenden Landwirten und Bauern gezeichnet und die Kartoffelverwertungs-eGmbH gegründet. In den Vorstand wurden der Kreisbauernführer Seidel und der Landwirt Graf Henkel von Donnersmark gewählt. Zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates wurde der Landrat Dr.Heinrich und der Kartoffelhändler Erich Kynast als Stellvertreter gewählt. Weitere Beisitzer des Aufsichtsrates waren Werner Schneider, Eckersdorf und der Kreissparkassendirektor Giza. Die Anteilszeichner setzten sich aus Landwirten der Kreise vornehmlich Namslau, Oels, Kreuzburg und Rosenberg zusammen. Bis zum Spätfrühjahr 1939 wurden 300.000 RM an Anteilen aufgebracht.
   Um Erfahrungen zu sammeln und die Baukosten der Fabrik zu ermitteln, wurden die Firmenleitungen der Betriebe in Grimmen/Pommern und zwei schon bestehende schlesische Betriebe u.a. Puschkowa (südlich Breslau), Nahrische Güterdirektion, besucht. Herr Schneider aus Seydlitzruh und Herr Goldert aus Wilkau fuhren mit Landrat Dr.Heinrich nach den genannten Orten und kamen zu dem Ergebnis, das Trockenkartoffeln als Pommes-Fritesstreifen hergestellt werden sollten. Die Abfälle sollten als Trockenstärke verwertet werden. Von den dann noch verbleibenden Resten, die sogenannte Pülpe, sollte an die Bauern zum Viehfutter abgegeben werden (Genossenschaftsmitglieder).
Die weitere Finanzierung übernahm das Reichsernährungsministerium nach harten Verhandlungen und es sollte ein Zuschuß von 420.000 RM gegeben werden. Den offenen Rest mußte die Kreissparkasse Namslau geben, wo der Sparkassendirektor Lobrecht zunächst große Bedenken hatte. Als aber der Präsident des Schlesischen Sparkassenverbandes Wackerzapp das Vorhaben guthieß und den Vorstand der gesamten Sparkasse zu einem positiven Beschluß veranlaßte, wurden diese der Genossenschaft bewilligt. Sie beliefen sich letzten Endes bei der Fertigstellung der Fabrik auf 333.000 RM. Sämtliche Trockenkartoffeln sollten für Wehrmachtszwecke hergestellt werden und an das Heeresverpflegungsamt Breslau abgeliefert werden. Das Fabrikgelände wurde südöstlich des Bahnhofs Namslau gekauft in einer Größe von 7 Morgen. Das war reichlich groß, um auf lange Sicht eine Erweiterung der Fabrik vornehmen zu können. Das war ein kluger Rat des erfahrenen Beraters Hermann Schneider, Seydlitzruh. Der Bau begann sofort im Mai 1939, als die Finanzierung sichergestellt war. Es wurde ein Plan entworfen, wie die Abwässer zu verregnen waren. Der Haupttrockner wurde von der Maschinenfabrik Büttner, Uerdingen gekauft und bestand aus 1.500 doppelt übereinanderliegenden Horden. Die Planung für den Bau der Gebäude übernahm ein Berliner Architekt Rettenmeyer, die Durchführung und Überwachung des Baues Kreisbaumeister Sternitzke. Erhebliche Schwierigkeiten bereitete die Wasserbeschaffung, es wurde als Berater hinzugezogen von der Universität Breslau, Professor Zunker und Wünschelrutengänger, Wassersucher aus dem Kreise Namslau.
   Dadurch wurde genügend Wasser 2,5 km südlich des Fabrikgeländes gefunden und eine Wasserleitung zur Fabrik gebaut. Durch diese Maßnahme wurde das Wohnhaus des Betriebsleiters Moritz westlich der Fabrik auf nicht wasserunterlaufenden Boden gestellt. Die Fabrik hatte einen großen Wasserbedarf, denn täglich wurden 1.800 Zentner Speisekartoffel mit flachliegenden Augen verarbeitet. Diese wurden in 6 Waggons mit je 300 Zentnern angeliefert und in die Waschmaschinen geschickt. Dann wurden die Kartoffeln in 4 Schälmaschinen in 2 Minuten geschält. Um einen Reservebestand zu haben, wurden sogenannte Kartoffelscheunen errichtet und Rollrinnen zu der Fabrik gelegt, so daß die Kartoffeln nur in die Rollrinnen geschaufelt zu werden brauchten, um in der Fabrik gespült zu werden.
Die KVG Namslau war die zweitgrößte Fabrik des Kreises mit 220 Beschäftigten. An erster Stelle stand die Haselbach-Brauerei. Die KVG arbeitete von Anfang September bis Anfang Januar in drei Schichten. War das Wetter offen, so wurde sie aus den Kartoffelscheunen beschickt. Dann war meist bis Ende März Schluß. Anfang April wurde der Betrieb wieder eröffnet und arbeitete bis Mitte oder Ende Juni. Während des Krieges wurde täglich in drei Schichten gearbeitet. Um die eigentliche Zulieferungen haben sich der Kreisbauernführer G.Seidel und der Großkartoffelhändler E.Kynast sehr verdient gemacht, so konnte die Fabrik eine Höchstleistung vollbringen und es wurden an das Heeresverpflegungsamt Breslau 1,7 bis 1,8 Tonnen täglich Trockenkartoffeln abgeliefert.
   Die Jahreshauptversammlung wurde immer während des Urlaubs von Landrat Dr.Heinrich abgehalten. Jeder Genosse erhielt zur Hauptversammlung eine Tüte Stärke von 5 oder 10 Pfund, je nach der Größe des Haushalts des Genossen. Aus den Schälabfällen wurden täglich 70 bis 90 Zentner Stärke gewonnen. Die Trockenkartoffeln wurden zu einem Preis von 45,— RM an die Wehrmacht geliefert. Mit der Trockenstärke wurde ein Preis von 70 RM pro Zentner erzielt.
Der Betriebsleiter Moritz traf auf einer Eisenbahnfahrt einmal mit einem Wehrmachtsintendanten zusammen. Er gab sich zu erkennen, was seine Tätigkeit war und er begab die Bemerkung zu hören, die „Fabrik in N. kann so weitermachen“. Das war ein Urteil über die Qualität der Erzeugnisse der Fabrik! Den Urlaub verbrachte Dr.Heinrich in landwirtschaftlichen Instituten, um die Kartoffelzüchtung mit flachliegenden Augen zu erfahren und damit zu steigern.
Die Trockenkartoffeln wanderten während des Krieges in deutschen Panzern bis weit vorn an die Ostfront (östlich Moskau), wo es sehr kalt war, bei der Marine in deutschen U-Booten rund um die Welt und auf die Nordseeinseln durch die Luft, wenn sie eingefroren waren.
   Für die Zeit nach dem Kriege hatte Dr.Heinrich den Absatz auf den Fischdampfern schon sichergestellt. Im Herbst 1943 rief ihn der Steuerberater, - ein Schwager des Sparkassendirektors Giza - an und empfahl, recht bald eine Generalversammlung stattfinden zu lassen, da die Erträge der KVG erfreulich hoch seien. Es fand diese statt und die Genossen der Gesellschaft konnten je Zentner Kartoffeln mit flachliegenden Augen eine geldliche Leistungszulage von 15 7. erhalten.
   Als die Russen kamen, sagte in der letzten Nacht in der Telefonzentrale des Kreishauses der Sparkassendirektor Giza zu Landrat Dr.Heinrich: „Jetzt hat die KVG soviel Guthaben auf der Kreissparkasse, wie sie Schulden hatten beim Baubeginn der Fabrik (333.000 RM).

Quelle: Die Geschichte des Kreises Namslau von 1820 bis 1945 - Was war - Was geschah! von Landrat Dr.E.Heinrich

von der Straße nach Lankau - kurz über der Bahnlinie - auf der rechten Seite