Seit dem Jahre 1819 besteht in Namslau eine Heilanstalt für hülflose
und ansteckungsfähige Kranke vom Lande und aus der Stadt. Dergleichen Anstalten
sind nur wenige in Schlesien; obgleich ihr Nutzen so groß ist, daß sie
in keinem Kreise vermißt werden sollten. Als ich im Jahre 1815 meine Amtsthätigkeit
hier begann, fand, ich hier; in der polnischem oder krakauer Vorstadt ein sogenanntes
Sichhaus, worin sich unheilbar Venerische, arme Sieche und verwaiste Kinder
in einem Zimmer befanden. Das Aeußere desselben zeugte für das hohe Alter,
und das Innere für den drohenden Einsturz; jedes Ungestüm der.Witterung hatte
offenen Zugang. Diese schlechte Beschaffenheit und die Lage am äußersten
Ende der Stadt sprach für die Entstehung in früherer Zeit, wo man bei Pest
und andern bösartigen Krankheiten die sogenannten Spitel, Lazarethe oder Siechhäuser
so weit als möglich von der Stadt entfernt erbaute, um alle Berührung, Ansteckung
und Verbreitung der Krankheiten möglichst zu verhüten. Daß dergleichen
Krankheiten mehr als einmal hier geherrscht haben, kann ich aus einer geschriebenen
Chronik der Kreis- und Weichbild-Stadt Namslau nachweisen. Diese besagt: im Jahre 1349
- 1412/13 -1466/67 - und 1507 und 23 herrschte hier die Pest; 1572 war in ganz Schlesien
eine große Sterbe, in hiesiger Stadt waren 1050, und in der Vorstadt 606 Menschen,
worunter 8 Rathspersonen sich befinden, gestorben; 1587 den 15. Januar, wurde ein Dankfest
in den Kirchen wegen aufgehörter Pest gehalten, 1634 war wieder große Pest,
1265 Personen, worunter der Medicus Dr. Günther, und der Apotheker sich befanden,
wurden weggerafft; 1656 den 16.,Julius nahm die Pest ihren Anfang, der Bader Valentin
Mentsin war Pestilenzarzt, und verband die Geschwüre, 800 Stadtbewohner und über
300 Soldaten waren das Opfer dieser fürchterlichen Contagion. ,
Ich wurde unter dem 20. Juli 1818 von dem Magistrate und von den Stadtverordneten ersucht,
ein in der Breslauer Vorstadt gelegenes Haus zu besichtigen: ob es zu einer Krankenanstalt
sich qualifiziere. Zu diesem Hauskauf vereinigten sich die hiesige Stadt und
das Land. Das Haus bildet ein längliches Viereck und steht mit seiner Hauptfronte
gegen Morgen, und mit der Kehrseits gegen Abend. Darin befinden sich sechs Stuben und
4 Stubenkammern, eine Küche und mehrere Bodenkammern; Für die übrigen
Bedürfnisse des Hauses als Holzschuppen, Todtenkammer u.s. w. ist in dem großen
Hofraume gesorgt,. Zu diesem Hause gehört ein Obstgarten, und ein angelegenes
Ackerfeld,.wovon ein Theil zu,den Ruhestätten der hierin Verstorbenen gebraucht
und das übrige nebst dem Obstgarten von dem Kreiswundarzt benutzt wird. Zur Einrichtung
hat die .Stadt .beschafft- 6.:Bettstellen, 4 Matrazen, 6 mit Roßhaaren gefüllte
Kopfkissen, 6 Strohsäcke,6. wollene Decken, 12 Bettücher, 5 Handtücher,
1 Badewanne; und einen kupfernen Kessel. Das Land ist versehen mit 10 Bettstellen,
20 Strohsäcken, 10 Strohkissen nebst eben so vielen blauen Ueberzügen, 10
wollenen Decken, 20 Betttüchern, 10 Handtüchern, 1 Badewanne und mit 1 Zwangsgürtel
für Wahnsinnige.Mehrere Bedürfnisse des Hauses sind dabei nicht: vergessen,
als Tische, Schemel, Stühle zum nächtlichen Gebrauch für Fieberkranke
u.s.w. Für Beköstigung haben die Verwandten, der Brotherr des Kranken, oder
die Gemeinde, zu welcher derselbe gehört, zu sorgen; jene schicken Graupe, Grütze,
Mehl, Butter, Salz und Brot, diese zahlt in der Regel Kostgeld. Eine Frau hat die Aufsicht
über das Haus, besorgt die Küche, pflegt und wartet die Kranken, und wäscht
und scheuert, und empfängt dafür außer freier Wohnung, Licht und Holz
monatlich 6 Rthlr. Früher wurde aus dem Wohnorte jedes einzelnen, Kranken vom
Lande das Brennholz angefahren, jetzt ist dieser Uebelstand behoben, und die Kosten
werden aus dem Kreisfonds bestritten.
Daß diese Heilanstalt noch nicht ist, was sie seyn sollte, liegt imm Klaren;
vor allem fehlt ihr ein tüchtiger, des Lesens und Schreibens kundiger Krankenwärter,
der die Ordnung sowol unter den Kranken... als auch unter den siechen Armen der Stadt,
welche in einem geräumigen Zimmer dieses Hauses freie Wohnung nebst einem monatlichen
Almosen von einem Reichsthaler auf die Person empfangen, zu erhalten vermag; zweitens
führt die Selbstbeköstigung den Heilungsprozeß stöhrende Uebertretungen
und Mängel herbei. .
Gegenwärtig erlauben die schwachen ökomenischen Kräfte der Cassen, nicht,
diese Heilanstalt vollkommener zu machen . Wäre die höheren; Ortes genehmigte
Erhebung einer Abgabe von den Gesellen, Lehrlingen, und von dem Gesinde, zur Ausführung
gediehen, so entstand ein Fonds, der hinreichte um die erwähnten Unvollkomrnenheiten
zu beseitigen ... ;
Aus Schlesische . Provinzialblätter. ; i Band 80/Juli-Dezember 1824
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