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In unserem lieben Namslau bestanden seit dem Mittelalter zwei Vereinigungen die
sich bis in die Zeit der Vertreibung erhalten haben. Es waren dies die Kretschmer-Zeche
und die Alte Herren-Zeche.
Sicher geht ihre Gründung auf die tiefe religiöse Grundhaltung der Menschen
jener Zeit zurück. Heißt es doch unter den Werken der leiblichen Barmherzigkeit:
die Toten begraben. Diese beiden Zechen hatten es sich zur Aufgabe gemachte, die Toten
zu bestatten. Die Mitglieder verpflichte- ten sich bei ihrem Eintritt, die Verstorbenen
zu Grabe zu tragen. Immer die zuletzt eingetretenen hatten diese Pflicht zu erfüllen
und wurden davon erst entbunden, wenn neue Mitglieder nachgefolgt waren" Diese
kamen aus dem Mittelstand, besonders dem Handwerkerstände. Für die Mitglieder
und deren Angehörige waren die Begräbniskosten, die Leichenträger und
der Leichenwagen kostenfrei. Bei Nichtmitgliedern wurde ein Entgelt erhoben.
Als ich noch ein Schulbub war, hatte mein Vater, der Schneidermeister Z i e m b a ,
vom Vorstand der Kretschmer-Zeche, dem alten Herrn Piezonka, den Auftrag erhalten,
ein neues Bahrtuch anzufertigen. Unter dem weißen aufgenähten Kreuz des
alten Tuches befand sich ein Dokument, das der damalige Anfertiger des Tuches geschrieben
und eingeschoben hatte. Mein Vater tat dasselbe auch bei dem neuen Bahrtuch.
Wenn ich nicht irre, so war auf dem alten Bahrtuch eine Stickerei mit dem Namen der
Zeche und der Jahreszahl 1350. Alljährlich an der Fastnacht war Mitgliederversammlung
und Einzahlen der Beiträge, das mit einem Frühstück verbunden war, bei
dem es oft recht lustig zuging.
Im Todesfalle erhielten die Hinterbliebenen eines Mitgliedes auch ein Sterbegeld. Bei
dieser Gelegenheit möchte ich auch auf einen besonderen Brauch in unserer Stadt
zu sprechen kommen, den ich kaum anderswo erlebt habe. War der Verstorbene ein junger
Mann oder ein junges Mädchen, so versahen junge Leute den Dienst der Leichenträger.
Im schwarzen Gehrock und Zylinderhut rechneten diese es sich zur Ehre an, dem Verstorbenen
diesen Liebesdienst zu erweisen.
Um den Leichenwagen herum wurde von Jungfrauen eine mit Blumen gezierte grüne
Girlande getragene. Vor dem Leichenwagen wurde bei einem Mädchen von einem Jüngling
eine Myrtenkrone auf einem weißen Kissen getragen, den rechts und links eine
Jungfrau begleiten. Wenn ein Jüngling beerdigt wurde, trug eine Jungfrau dieses
Kissen mit der Myrtenkrone und sie wurde von zwei Jünglingen begleitet.
Nach der Beerdigung verlebten wir bei Kaffee und Kuchen in irgendeinem Lokal noch recht
gemütliche Stunden. Auch die Angehörigen des Dahingegangenen kamen oft zu
uns, um zu danken.
Nie werde ich es vergessen, als eine Mutter sagte: Seid recht lustig und freuet Euch;
das soll die Hochzeit unseres Mädels sein!
Es dauerte auch nicht lange, und bald kam der Tanz zu seinem Recht. In fröhlicher
Stimmung blieben wir zusammen und hatten einen schönen Tag erlebt; Sterben und
Leben waren dicht beieinander.
Dieses schöne Brauchtum gibt einen Blick in die Gemütstiefe des sohlesischen
Menschen, und wir denken auch im Alter noch gerne daran zurück.
Frater Juventius Z i e m b a
Heimatruf Nr.30/1964
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