Die Landwirtschaft im Kreise Namslau von Landwirtschaftsrat Ocklitz

Die Entwicklung und der Leistungsstand der Landwirtschaft im Kreise Namslau (1.10.1939

Die Landwirtschaft im Kreise Namslau von Landwirtschaftsrat Ocklitz

     Unser Heimatkreis Namslau hatte eine Größe von 50 111.24 ha, hiervon ging ein Waldgebiet von rund 10 000 ha ab. Genaue Unterlagen, wie sich die ca. 40 000 ha zusammensetzen, also wie viel ha landwirtschaftlich genutzte Fläche, Wege, Unland usw., sind zur Zeit nicht zu haben. Die Einwohnerzahl des Kreises betrug im Jahre 1938 30 755 Personen, wovon in der Stadt Namslau etwa 8—9000 Menschen lebten. Der Kreis bestand aus 47 Landgemeinden und der Stadtgemeinde Namslau. Wir hatten im Kreise Namslau insgesamt 2532 landwirtschaftliche Betriebe, die Betriebsgrößen und die prozentualen Anteile setzten sich, wie aus anschließender Zeichnung zu ersehen ist, zusammen.
Die Zahl der Betriebe nach Betriebsgrößen und in v. H.


     Der Boden wies etwa zur Hälfte leichten, jedoch kulturfähigen Boden und zur Hälfte schweren und mittleren Boden auf. Südlich der Eisenbahnlinie Breslau—Kreuzburg herrschte im allgemeinen leichter Boden vor, eingestreut darin befanden sich mittlere und schwere Böden etwa um die Ortschaften Eckersdorf und Bankwitz herum, ebenso wies der nördliche Kreisteil mit den besseren Böden in den Randgebieten leichte Böden auf. Es handelte sich dem geologischen Aufbau nach hauptsächlich um Diluvialböden mit zum Teil Geschiebelehmen und vereinzelten Lößlehmvorkommen und zum geringen Teil um Alluvialböden. Der durchschnittliche Kreishektarsatz für die Einheitsbewertung betrug 1040 RM und die Gemeindehektarsätze schwankten je nach Bodenbeschaffenheit von 700 bis 1450 RM.
     An jährlichen Niederschlägen konnte man mit 600 bis 650 mm rechnen, so daß im Durchschnitt der Jahre auch die Viehweiden ausreichend mit Regen versorgt wurden und daher die Erträge ziemlich sicher waren. Die Niederschläge fielen verhältnismäßig gut verteilt, nur sind mitunter in den Monaten April und Mai Trockenperioden zu verzeichnen gewesen, ebenso auch in den Monaten Juli/August. Letztere waren für die Gewinnung guter Getreideernten günstig und bestätigten die alten Bauernregel, daß trockene Jahre Körnerjahre sind.
     Bei der Getreideanbaufläche stand an erster Stelle der Roggen, dann folgten Hafer, Weizen und Gerste. Der Anbau von Braugerste ist hervorzuheben, die Brauereien kauften gern ihrer guten Qualität wegen Braugersten aus dem Kreisgebiet Namslau. Erwähnenswert ist auch der Anbau von Lein, wobei sich besonders die Gutsbetriebe Nassadel und Dammer jahrzehntelang als Flachsproduzenten behaupteten.
     Der Kartoffelbau spielte infolge der ihm zusagenden Bodenverhältnisse und der klimatischen Verhältnisse eine große Rolle, insbesondere für die Erzeugung von Saatkartoffeln, welche zumeist im jetzigen Westdeutschland abgesetzt wurden. Diejenigen Kartoffeln, welche nicht als Saatkartoffeln zu verkaufen waren oder welche nicht im Eigenverbrauch verwendet wurden, gingen in die Flockenfabriken in Wilkau, Sterzendorf, Schmograu und Seydlitzruh oder auch nach Namslau in die in den ersten Kriegsjahren erbaute Kartoffeltrocknung, um als Trockenkartoffel oder zur Stärkegewinnung verarbeitet zu werden. Der Anbau der Zuckerrübe war in stetem Steigen begriffen, hierfür warben die Einnahmen aus dem Rübenverkauf und die Blattfuttermengen, welche der Viehhaltung zu Gute kamen.
Der prozentuale Anteil der einzelnen Bodenfrüchte an der landwirtschaftlich genutzten Fläche:


     Der Kulturzustand des Bodens konnte besonders nach dem ersten Weltkriege durch die Gründung von zahlreichen Drainagegenossenschaften innerhalb des Kreisgebietes gehoben werden, desgleichen sorgten, flächenmäßig verhältnismäßig große Wasserregelungs- genossenschaften im Zuge der (Gewässer der Weide, der Studnitz, des Stobers, des Schwarzbaches und des Flößbaches im Süden des Kreises mit seinen Nebentälern bis zu den Ortschaften Sterzendorf und Steinersdorf für eine rasche Verbesserung der Grünlandflächen und damit für eine gute Futterversorgung bzw. für eine zweck- mäßigere Nutzung der darin eingeschlossenen Ackerflächen.
     Zum Teil mußte das Futter über den Ackerfutterbau durch Klee- oder Luzerneanbau beschafft werden. Vielfach jedoch fand in den letzten Jahrzehnten eine Ausdehnung des Winter- und Sommerzwischenfruchtbaues in den Betrieben Eingang. Dies war bei den herrschenden Niederschlagsverhältnissen besonders für die Wirtschaften mit leichtem Boden von grundlegender Bedeutung, konnten doch auf diese Weise verhältnismäßig billige Futtermengen für die Viehbestände zuverlässiger und ausreichender beschafft werden, als dies in den früheren Jahren möglich war.
     Bei der Viehwirtschaft stand an erster Stelle die Rinderhaltung, es wurden ca 67 Stück Rinder auf 100 ha LN (landw. genutzte Fläche) gehalten, der Reichsdurchschnitt lag bei 68 Stück und an Kühen 36 Stück auf 100 ha I.N (Reichsdurchschnitt 35 Stück). Für die Milcherzeugung im Kreise Nams-Irtu kann ein Ertrag von 60 t je 100 ha LN, für Schlesien im Durchschnitt 88 t, angenommen werden. Auch die Schweinehaltung mit etwa 35 000 bis 36 000 Stück im Durchschnitt war beachtlich, man rechnete mit 78 Schweinen je 100 ha LN und im Reichsdurchschnitt mit 83 Stück. Verhältnismäßig ausgedehnt war in unserem Heimatkreis auch noch die Schafhaltung mit 17 Schafen auf 100 ha LN, Reichsdurchschnitt 14 Schafe. Die Haltung der Pferde ging infolge der Mechanisierung ständig zurück, es wurden jedoch eine Reihe von Zuchtpferden verkauft. Die Hühnerhaltung und auch die Imkerei hatte eine gewisse Bedeutung. Für alle Tierarten konnte man in allen Betriebsgrößen Zuchtstätten feststellen, welche auf den Zuchtviehauktionen in Breslau und Oppeln besonders männliche, aber auch weibliche Zuchttiere meist günstig absetzten. So war der Kreis Namslau auch hier mit zur Stelle, um an der Hebung der schlesischen bodenständigen Tierzucht mitzuarbeiten.
Für die Ausbildung des landwirtschaftlichen Nachwuchses sorgte die seit dem Jahre 1913 bestehende Landwirtschafts- schule Namslau, welche bis zur Flucht im Jahre 1945 Hunderte von Junglandwirten ausbildete, ebenso auch die seit dem Jahre 1932 tätige Mädchenabteilung der Landwirtschaftsschule für die weibliche Jugend.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Kreis Namslau mit seinen Erträgnissen aus der Ackerwirtschaft sowohl als auch aus der Viehwirtschaft maßgebend als Erzeuger volkswirtschaftlicher Werte ausreichend beteiligt gewesen ist und mit dazu beigetragen hat, daß erhebliche Werte aus unserer Heimatprovinz Schlesien ausgeführt werden konnten, die in den anderen Provinzen Deutschlands und im Ausland gefragt waren.


Die Entwicklung und der Leistungsstand der Landwirtschaft im Kreise Namslau (1.10.1939)

von Landrat Dr.E.Heinrich (1938-1945)


     Der Stand der Schlesischen Landwirtschaft ist gut in generellen Zügen nach dem Stand von Anfang des Jahres 1930 festgehalten, hier wird der Leistungsstand speziell im Kreise Namslau zum Ausdruck gebracht ("Geschichte der Landwirtschaft Schlesiens" von Dr. Min. Rat Wilhelm Magura, Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg 1986). Die Landwirtschaft nördlich der B 117 war durch Bodenqualität insgesamt begünstigt, es wurde dort mehr Weizen und Zuckerrüben angebaut (Bodenqualität bei Michelsdorf und Buchelsdorf 70 Punkte), als im Südteil des Kreises, wo vorwiegend Roggen und Kartoffeln angebaut wurden. Im Zuge der Förderung des Hackfruchtanbaus durch den Reichsnährstand betrug dieser auf leichten Böden jährlich 40 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Insgesamt war die schlesische Landwirtschaft um 1930 noch nicht auf der Höhe. Die Kenntnisse in den Familien wurden durch landwirtschaftliche Schulen und Forschungsinstitute nur wenig bereichert. Zum Teil wurden die Güter durch landwirtschaftliche Beamte und deren Gehilfen bewirtschaftet, erstere hatten ihre Ausbildung auf der höheren Landwirtschaftsschule in Schweidnitz abgelegt.
     Ausgangspunkt für die gehobene Landwirtschaft im Kreis Namslau war der sehr fachkundige Kreisbauernführer Seidel im Kreise Namslau. Er betrieb an Ort und Stelle die Beratung der großen Güter und der mittleren Bauern. Der Landesbauernführer von Schlesien Hermann Schneider (er war MdR, unterlag deshalb den Bestimmungen der Inhaftierung) - später Präsident der Landwirtschaftskammer - hatte die 3.000 Morgen von der Familie Egon von Garnier in Eckersdorf in Pacht. Er hatte auf dieser Fläche moderne Gartenanbaumethoden in Anwendung und stand im Gedankenaustausch mit mittleren amerikanischen Landwirten und Bauernführern. Schneider sen. genoß ein hohes Ansehen bei den amerikanischen Landwirten und wurde nach Kriegsende sehr wohlwollend von seinen Partnern behandelt. Diese wirkten darauf ein, daß er in seinem hohen Alter von amerikanischen Besatzungsbehörden in Bayern nicht gefangen genommen wurde.
     Weiter besaß der Eigentümer von dem Hauptgut von Seydlitzruh, ebenfalls mit dem Familiennamen Schneider (Hermann), hohe landwirtschaftliche Kenntnisse. Er hatte die Abfuhr der Ernten von allen Feldern auf Schienen abgestellt, zu jedem Feld führte ein Schienenstrang. Er hatte als 14-jähriger in Birnbaum bei Posen 1873 als Müllerlehrling angefangen und sechs Berufe erlernt (außer Müller bezeichnete er sich noch als Landwirt, Forstwirt, Bäcker, Brenner und Tierzüchter). Schneider war zwischen dem ersten Weltkrieg und dem zweiten Weltkrieg zweimal um die ganze Welt gereist und hatte dadurch große Kenntnisse in den genannten Berufen. Er hatte vor dem ersten Weltkrieg (1913) die größte Weizenmühle des ganzen damaligen Deutschen Reiches in Lissa bei Posen. Er war fortschrittlich und seine Parole lautete: "Der Landwirtschaft geht es nur gut, wenn in ihrer Nähe die Schornsteine rauchen". Eine weitere Schienenabfuhr bestand von den Gütern Niedereisdorf und Jakobsdorf nach Bernstadt (Kreis Oels) .
     Weitere waren hervorragende Landwirte der Major Goldert und Major Braune in Krickau. Diese Landwirte beobachteten das Wetter sehr genau und es war sprichwörtlich im Kreise, daß sie beide zuerst die Getreideernte unter Dach und Fach hatten. Die anderen großen Güter waren personell und materiell gut besetzt und holten hohe Erträge von ihren Feldern. So besaß der Graf Henkel von Donnersmarck die drei Güter Grambschütz, Reichen und Kaulwitz und mit dem umsichtigen Güterdirektor Dr.Grothe einen Mitarbeiter, der für seine Erfolge in der schlesischen Landwirtschaft bekannt war. Die kleinen und mittleren Bauern hatten erfahrene Qrtsbauernführer, die durch den Kreisbauernfüh-rer Seidel (Mittelwillkau) ständig auf den neusten Stand gehalten wurden. So wurde mir in Breslau gesagt, daß der Kreis Namslau in der landwirtschaftlichen Produktion von den 18 Landkreisen des Regierungsbezirks Breslau von der Stelle 17 auf die Stelle 2 vorgerückt sei.
     Im Nordteil des Kreises waren die Güter der Familien Blomeyer und Scholz - Jakobsdorf als besonders erfolgreich bekannt.
     Die landwirtschaftlichen Erträge lagen im Durchschnitt bei normaler Düngung: Weizen 26 Zentner pro Morgen, Roggen 20 Zentner pro Morgen, Kartoffeln 40 Zentner pro Morgen, Zuckerrüben 90 Zentner pro Morgen.
     Es herrschte in den Bebauungsplänen durchweg eine Fünf-felderwirtschaft.
Ein Zusammenschluß von Großlandwirten unter der Firma "Landwirtschaftsbedarf G.m.b.H." unterstützte die Groß-landwirte mit anerkanntem sehr guten Erfolg.
     Der Obstbau war erfreulich gepflegt und wurde noch an vielen Landstraßen betrieben. Nach der Einnahme von russischen Gebieten war 1941 beabsichtigt, winterharte Obstbausorten zu züchten und anzubauen.
Der Bienenzuchtverein zählte 33 Mitglieder. Der erste Vorsitzende (der Bahnhofsgastwirt Dittmann) war erfreut
über die ständige intensive Förderung durch den Landrat und Kreisbaumeister.
     Die klimatischen Verhältnisse erlaubten einen erfolgreichen Flachsanbau, so daß neben der Kartoffeltrocknungs- anlage südlich der Stadt der Anbau einer Flachsröste geplant war.
     Der weitere Kartoffelüberschuß wurde von der Firma Brauerei Haselbach in einer Kartoffelflockenfabrik verwertet.
     Die Kreislandwirtschaftsschule (am Stadtpark) mit den Abteilungen weibliche und männliche Jugend versorgte die Bauernschaft des Kreises Namslau mit gut ausgebildeten Kräften. Die weibliche Abteilung gliederte sich in zwei Unterabteilungen. Die erste erhielt ihren Nachwuchs im Sommer aus den Abgängern der Schulen der Stadt Namslau. Die zweite Unterabtei 1 jung erhielt für den Winter die Schüler aus der ländlichen Bevölkerung des Kreises Namslau. Die männliche Schülerabteilung wurde besetzt mit Jugendlichen der bäuerlichen Kreisbevölkerung des Kreises Namslau. Sie hatte einen guten Ruf und hatte zwei hauptamtliche Lehrkräfte, Landwirtschaftsrat Willi Oklitz und Landwirtschaftsrat Verspohl und weitere ehrenamtliche Lehrkräfte.


QuelleDie Geschichte des Kreises NAmslau von 1820 bis 1945 Was War - Was geschah!

von Landrat Dr.E.Heinrich (1938-1945)