Pastor Heinrich Töbe
Ein Namslauer geht unter in den Wirren der Revolution von 1848/49.


Bearbeitet von Peter Graf Henckel von Donnersmarck (PHD).


Dazu eine kurze Vorbemerkung.

Die Frankfurter Nationalversammlung, gebildet im Zuge der Revolution von 1848/49, bot dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone an. Er lehnte ab. In Preußen war eine Preußische National-Versammlung gebildet worden. In den folgenden Jahren, die Rechte der Krone waren durch die Revolution aufgeweicht, versuchte der König seine absolutistische Macht wieder zurückzugewinnen.

Eine ‚berühmte' Aussage zeigt seinen Glauben an das Gottesgnadentum:
"Es drängt mich zu einer feierlichen Erklärung: dass es keiner Macht der Erde jemals gelingen soll, Mich zu bewegen, das natürliche, gerade bei uns durch seine innere Wahrheit so mächtig machende Verhältnis zwischen Fürst und Volk in ein conventionelles, constitutionelles zu wandeln …"

Auch bestritt der König den Abgeordneten das Recht zur politischen Diskussionen:
"Das aber ist ihr Beruf nicht: Meinungen zu repräsentieren, Zeit- und Schulmeinungen zur Geltung bringen zu sollen. Das ist völlig undeutsch und obendrein völlig unpraktisch …, denn es führt nothwendig zu unlösbaren Konflikten mit der Krone, welche nach dem Gesetze Gottes und des Landes und nach eigener Bestimmung herrschen soll, aber nicht nach dem Willen von Majoritäten regieren kann und darf …"


Pastor Heinrich Töbe

Hugo Hartung, Deutschland deine Schlesier, 1970 (das Taschenbuch kam mir nach Jahren zufällig wieder in die Hand), schreibt auf den Seiten 43f.:
"Wer denkt in unseren Schulen und an unseren Universitäten an diese hervorragenden Männer unserer Geschichte." Persönliche Tapferkeit und bewusste Vaterländische Gesinnung zeichneten sie aus. "Mögen wenigstens in diesem Buch die Namen der freiheitlichen schlesischen Parlamentarier, die unsägliche Verfolgungen erdulden mußten, in Ehren genannt werden:" Es folgen 16 Namen, darunter "Pastor Töbe aus Namslau (des Amtes enthoben, seine Privatschule geschlossen)".
"Das sind, Deutschland, deine besten Schlesier. Wo sind ihre Denkmäler? Wo sind sie geblieben?"

Hartung schrieb seinerzeit berühmte Bestseller, wie "Ich denke oft an Piroschka (1954)" und "Wir Wunderkinder (1957)". Manchem nicht mehr ganz so jungen unter uns, sicher noch in bester Erinnerung.


Im Folgenden Auszüge aus der "Chronik der Stadt Namslau" (Hsg. Pastor Liebich 1862). Diese Chronik ist erfreulicher Weise auf der Namslauer Homepage - www.namslau-schlesien.de - zu finden.


S. 211
1837. Nachdem die Stelle eines Rektors an der hiesigen evangelischen Schule und des Nachmittagspredigers fast ein Jahr unbesetzt geblieben war, wurde für das Predigtamt Heinrich Töbe gewählt.

214f.
1839. Am ersten Oktober starb der deutsche Pastor Jäkl, an seine Stelle wurde der Rektor und Mittagsprediger Töbe gewählt.

S. 223
1848. Am 8. Mai wurde von den am 1. Mai gewählten Wahlmännern des Kreises, der hiesige Pastor Töbe als Abgeordneter zur preußischen National-Versammlung nach Berlin gewählt.


S. 225ff.
1849. Nachdem die in Berlin tagende, später nach Brandenburg verlegte preußische National-Versammlung auflöst (durch König Wilhelm IV.) und für diese ein neues Wahlgesetz erlassen worden war, erfolgten am 22. Januar die Urwahlen zur II. Kammer. Wieder wurde Heinrich Töbe als Abgeordneter gewählt.

Am 29. April löste die königliche Staats-Regierung abermals die in Berlin tagende II. Kammer der Volksvertreter auf, weil diese mit Mehrheit die Maßregelungen durch die Regierung ablehnten.
Mit klingendem Spiel und flatternden Fahnen zog ein Teil der hiesigen Bürgerwehr, dazu die Schützengilde, dem Abgeordneten Pastor Töbe bei seiner Rückkehr aus Berlin entgegen. Abends wurde ihm ein feierlicher Fackelzug gebracht, an dem sich der größte Teil der Bürgerwehr beteiligte.

Töbe beabsichtigte, am Sonntage den 13. Mai, in einer Volksversammlung auf dem Schießhausplatz seinen Wählern und Urwählern Rechenschaft von seinem Verhalten in der II. Kammer zu geben. Hierzu wurde ihm aber, nachdem die Einladungen zu dieser Versammlung bereits längst herausgegangen waren, seitens des Bürgermeisters Härtel die polizeiliche Erlaubnis versagt. Und zwar so spät, daß die Einladungen nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten.
Zur vereinbarten Stunde fanden sich daher einige tausend Männer, unter ihnen auch der Abgeordnete des Oels'er Kreises, Rektor Mätze aus Bernstadt, in Namslau ein. Auf seinen Vorschlag hin wurde zuerst eine kleine Abordnung aus dem Kreis der Erschienen zu Härtel geschickt, um die polizeiliche Erlaubnis zur Volksversammlung zu erwirken. Als die Abgesandten mit einem abschlägigen Bescheid zurückkehrten, wurde ihre Zahl verstärkt und sie zum zweiten Mal geschickt. Sie brachen abermals einen abschlägigen Bescheid und nunmehr vereinigten sich an die 100 Personen. Sie gingen in die Wohnung des Bürgermeisters Härtel und verlangten ziemlich barsch die polizeiliche Genehmigung zu einer Volksversammlung. Dieser Menge und ihrem Andrängen gegenüber konnte Härtel nicht länger die begehrte polizeiliche Erlaubnis verweigern und die Volksversammlung fand vor dem Schützenhause statt. Überwacht wurde sie von dem Polizei-Rathmann Block (Rathmann? Dezernent/Amtsleiter). Sie verlief unter Leitung des Rektors Mätze ohne jede Störung. Pastor Töbe hat bei dieser Veranstaltung nicht das Wort ergriffen.
Ein ausführlicher Bericht an die königliche Regierung in Breslau hatte zur Folge, daß Namslau mit Militär belegt wurde. Schon am 19. Mai rückten, ohne dass jemand hiervon eine Ahnung hatte, plötzlich die 5. Kompagnie des 11. Infanterie-Regiments, sowie ein Abtheilung Kürassiere (= schwere Kavallerie) ein, die in Deutsch-Marchwitz (Kämmereidorf von Namslau) einquartiert wurde. Am Morgen des 21. Mai wurde die Infanterie plötzlich alarmiert, die Kürassiere zogen mit gezogenem, scharf geschliffenen Säbeln in die Stadt ein und stellten sich auf dem Marktplatze auf.
Es bildeten sich verschiedene Gruppen Neugieriger, niemand wußte, was das bedeuten sollte. Die Infanterie, mit geladenem Gewehr und gesenktem Bajonett, griff ein und trieb die Menschen auseinander.
Der Staatsanwalt Dr. Krätzig aus Brieg begab sich mit mehreren Gerichtsbeamten und begleitet von einer Eskorte Infanterie in die Wohnung des Pastors Töbe und verhaftete diesen wegen Aufreizung zum Aufruhr und Störung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit. Töbe wurde auf einem Wagen, begleitet von zwei Gerichtsdienern und zwei Unteroffizieren mit geladenem Gewehr, nach Brieg in die Untersuchungshaft abgeführt. Vor und hinter dem Wagen ritten Kürassiere mit gezogenem Degen. Das Publikum verhielt sich auch hierbei ruhig.

Am selben Tage erließ der Magistrat folgende Bekanntmachung
"Das Publicum wird von uns, zufolge Aufforderung Seitens der Militär-Behörde, hierdurch ernstlich gewarnigt, aller und jeder Demonstrationen, sowohl gegen Militair- als auch gegen Civil-Personen sich zu enthalten, indem solche sofort auf das Strengste geahndet werden würden, wobei nöthigenfalls der Gebrauch der Waffen gemacht werden soll. Abends sich auf den Straßen sich sammelnde Menschengruppen werden event. auseinander gebracht werden.
Alle Wirths- und auch andere Privat-Häuser müssen unbedingt 10 Uhr Abends geschlossen sein.
Namslau, 21 Mai 1849. Der Magistrat."

1850, am 26. Januar, wurde Heinrich Töbe vom Schwurgericht in Brieg freigesprochen und kehrte nach neunmonatiger Abwesenheit noch am selben Abend nach Namslau zurück.
Viele Bürger stellten ihm zu Ehren Lichter in ihre Fenster.

Weitere Nachrichten gibt die Liebich'sche Chronik leider nicht her.
10/14 PHD