Die Reformation war in der Meinung des ganzen deutschen Volkes eine Notwendigkeit
geworden. Die Mißstände verlangten gebieterisch eine Änderung. Ein
großer Teil des Volkes war geistlich geworden oder zum religiösen Traumleben
in die Klöster gegangen. In Breslau war jede 40. Person geistlich: im Brieger
Fürstentum kamen auf 3000 Personen 50 Geistliche. Durch die Ablässe wanderten
Unsummen über die Alpen. Dazu kam, daß die Buchdruckerkunst die Bibel und
die Schriften der Alten überallhin verbreitete und dadurch der Unterschied der
Religion unseres Heilandes von dem römischen Katholizismus offenbar wurde. Die
Konzile des 15. Jahrhunderts, die man zum Zweck einer Reformation "an Haupt und
Gliedern" berufen hatte, waren ergebnislos verlaufen. Die Päpste und Bischöfe
waren Gegner jeder Besserung. Darum drängte man, als Luthers Ruf durch die deutschen
Gaue ging, die Obrigkeit zur Abschaffung der ärgsten Mißstände. Man
hoffte durch das allgemeine Vorgehen des Volkes ein Reformkonzil, das wirklich arbeitete,
zu erzwingen. Man dachte mit keiner Silbe daran, das Band der alten Kirche zu sprengen
und eine neue zu gründen. Darum behauptete noch lange der Rat von Breslau, daß
er gut katholisch sei, nachdem er Luthers Lehre eingeführt hatte. Auch Kinder
unseres Kreises sind damals nach Wittenberg gezogen, um evangelische Theologie zu studieren,
z. B. Thomas Rieger aus Namslau und zwei Söhne des Kirchvaters Lukas Paritius
aus Schmograu. Das ganze Volk war von der neuen Bewegung ergriffen. Wohlgemerkt, die
kirchlichen Mißstände wollte man beseitigen, die religiöse Tat Luthers
zu verstehen, blieb den meisten versagt. Dieser geistermächtige Prophet Gottes
hat einen Kampf gekämpft, der einzig ist. Er ficht gegen die heidnische Magie
in den Sakramenten, gegen die römische Knechtung im Beichtstuhl und die Versenkung
ins Nichts im Gebetsleben. Er kennt keine besondereHeiligkeit der Priester, er beansprucht
den ganzen Menschen, wie er in seinem Beruf sich zeigt, für Gott. Der treue gottesfürchtige
Bürger gilt ihm mehr als der ehelose Faulenzer im Kloster. Vor allem sollte die
eigene Überzeugung und die Wahrhaftigkeit eine Stätte finden, wie es dem
Wesen des Heilandes als König der Wahrheit entspricht. Die griechisch-christliche
Gedankenarbeit ist dem Wesen des modernen Deutschen fremd; sie ist religiöser
Ballast - und für uns Unwahrheit. Die Dogmen machen uns nicht selig, sondern nur
die Verbindung des Herzens mit Gott -. Von Erasmus an bis heut haben weite Schichten,
sowohl des evangelischen als auch des katholischen Volkes die Abkehr von Rom innerlich
vollzogen, sind aber nicht zur Höhe Luthers fortgeschritten. So kann man sich
den leichten
Sieg der Reformation erklären und auch den Abfall, als die Stunde der Heimsuchung
geschlagen hatte.
Wie überall in Deutschland, so wurden auch in Schlesien zuerst die Städte
von der reformatorischen Bewegung ergriffen. Die Namslauer Chronik erzählt, daß
schon 1525 in der Peter-Paul-Kirche evangelische Gottesdienste abgehalten worden seien.
1526 wagt es der Rat, die Klein-odien der Kirchen zum Zweck der Befestigung der Stadt
zu verkaufen. Am 16. April 1532 berichtet der bischöfliche Kanzler Vinzentius
seinem Herrn, die Namslauer, Striegauer u. a. hätten ein Gesuch eingebracht, die
Ein-künfte der geistlichen Stellen zur Besoldung ihrer lutherischen Pfarrer und
Lehrer verwenden zu können. Man hielt sich demnach evangelische Prediger und Lehrer
neben den alten Pfarrern und Lehrern und suchte sie an deren Stelle zu setzen. 1558
starb ein evangelischer Kantor Dreißig. Derselbe ist nachweislich 20 Jahre im
Amte gewesen; die Schule war also schon 1538 mit einem evangelischen Lehrer besetzt.
1545 folgte auch der erste evangelische Pastor, Thomas Rieger, im Kirchenamte. Bei
der Einführung der Reformation waren die Bürgermeister Georg Roth (1558…),
Georg Kleer (1568…) und Lukas Moller d.Ä. tätig. 1544 bestrafte der
Kaiser die Stadt mit 1000Tr. wegen ihrer Beziehung zum schmalkaldischen Bunde. Nach
dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 wagten es auch die Gutsherren auf ihren Dörfern
in den kaiserlichen Erblanden zu reformieren. Besonders scheinen die Familien von Kotulinski
und von Prittwitz, denen die meisten Dörfer des Kreises gehörten, eifrige
Anhänger der Reformation gewesen zu sein. Die Stimmung des Volkes kam ihnen dabei
entgegen oder drängte sie zu diesem Schritt. 1560 wurde Lorzendorf, 1562 Simmelwitz,
1564 Schmograu, 1565 Bankwitz, 1574 Kaulwitz, 1579 Reichen, 1587 Wilkau, 1590 Jakobsdorf,
1619 Strehlitz und 1624 Glausche nachweislich mit evangelischen Geistlichen besetzt.
Damit ist nicht gesagt, daß die früheren Geistlichen nicht Luthers Lehre
verkündigt hätten, sie waren nur nicht ordnungsmäßig von der evangelischen
Kirchenbehörde bestätigt. Mit diesen Mutterkirchen fielen auch die Filialkirchen
der Reformation zu: Paulsdorf und Droschkau, Gießdorf, Steinersdorf-Sterzendorf,
Eckersdorf, Städtel-Schwirz, Lankau, Grambschütz, Hennersdorf, Minkowski,
Nassadel, Altstadt. Das Franziskanerkloster in Namslau ging ein, und in der Kirche
wurde evangelischer Gottesdienst polnisch abgehalten. Die Filialen von Michelsdorf,
Krickau und Belmsdorf sind wohl 1590 bei der Neubesetzung der Pfarrstelle durch einen
altgläubigen Geistlichen losgerissen und mit Jakobsdorf und Kaulwitz verbunden
worden. Buchelsdorf wurde von Glausche abgetrennt und Kaulwitz zugepfarrt, als die
beiden Familien von Näfe evangelisch wurden. Auch Blumenau (Schweinern) ging an
die Evangelischen über. In Buchelsdorf wurde ein wundertätiges Bild des hl.
Jakobus als Ärgernis weg-gebracht, in Giesdorf die Reliquie der hl. Hedwig durch
Kaspar von Kotulinski beerdigt.
Erst durch das Tridentiner Konzil (1545-63) wurden die Evangelischen aus der alten
Kirche hinausgedrängt. Bis dahin hielt man eine Verständigung für möglich.
Erst von da an war man eine besondere Konfession und zählte die Geistlichen gesondert.
Zum Kampf gegen die Evangelischen treten nunmehr seit 1540 die Jesuiten und die von
ihnen geleiteten Domkapitel an. Diese verfolgen die Absicht, die Unfehlbarkeit und
Weltherrschaft des Papstes durchzusetzen und den Protestantismus rücksichtslos
zu vernichten. Treue und Glauben kennt er dabei nicht, List und Trug werden skrupellos
angewendet. Jede Gemeinheit und Gewalttat gelten, wenn nur das Ziel erreicht wird.
Ihr Wirken hat Deutschland unsägliches Elend zugefügt und es in ein Meer
von Blut getaucht. -- Im Namslauer Kreise bot sich als Grundlage für die Rekatholisierung
der sogenannte Skorischauer Halt dar. In diesem Gebiete konnte der Bischof zu Breslau
souverän gebieten wie im Fürstentum Neiße-Grottkau. Die Pfarrkirchen
von Reichthal, Kreuzendorf, Wallendorf und Michelsdorf standen unter seinem Patronat.
Zeit etwa 1574 nahm er keine Rücksicht mehr auf das Bekenntnis der Kirch-spielleute,
sondern setzte Altgläubige ein. Mochten immerhin die Ortskirchen leer bleiben,
wenn nur das formale Recht behauptet wurde. Die von Lindanus abgehaltene Kirchenvisitation
von 1579 beschränkte sich nur auf die Kirchen von Reichthal, Kreuzendorf und Wallendorf.
Die Michelsdorfer Kirche wurde nicht visitiert, war darnach in evangelischen Händen.
Der Befund in den drei Kirchgemeinden war der: die Kirche in Reichthal ist seit 18
Jahren nicht geweiht, desgleichen nicht der Altar und die Glocken. Firmung hat seit
Menschengedenken nicht stattgefunden. Die Bürgerschaft zahlt dem Pfarrer nicht
die Novalien. Die Dörfer Kreuzendorf, Proschau und Wallendorf besucht der Visitator
nur flüchtig, weil er weder Hafer für seine Pferde, noch Lebensunterhalt
erhält. Der Katholizismus war also eigentlich erloschen, trotzdem die Pfarrer
betonen, daß alles in gutem Zustande sei. Eins solche Aufnahme des Abgesandten
ihres Fürsten und Bischofs besagt genug. Der Kreis Namslau war also 1579 evangelisch
- bis auf die drei Pfarrer, die aber auch kaum noch mit ihrem Herzen dabei waren. Der
Dreißigjährige Krieg ist am Namslauer Gebiet verhältnismäßig
glimpflich vorübergegangen. Freilich haben Durchzüge von Heeres-Haufen stattgefunden
(1618, 1620 Kosaken, 1622 Gefecht bei Noldau, 1634 wird Namslau von den Kaiserlichen,
1642 von den Schweden berannt usw.), aber die starke Wasserfestung Namslau lag zu weit
abseits. Das Land war früher oft durch Poleneinfälle verwüstet worden
und bot keine Reichtümer. Dazu hatte der harte Steuerdruck und die Lieferungen
für Heereszwecke das Land völlig ausgesogen. Die Lichtensteiner Dragoner
des Burggrafen Hannibal von Dohna, die Seligmacher, die im anderen Schlesien die Evangelischen
drangsaliert und der Verzweiflung zugetrieben haben, haben nur kurze Zeit unter dem
Oberstleutnant de Goes in Namslau gelegen. Der Burggraf von Dohna erwartete nämlich
für seine Henkerdienste die Belohnung mit dem Fürstentum Breslau-Neumarkt-Namslau
und hatte kein Interesse daran, sein Land zu verwüsten und die Bewohner zu verjagen.
Die Kirchen haben daher nach dem Kriege fast alle noch ihre heiligen Gefäße,
Gewänder und Glocken. Die Evangelischen von Kaulwitz sind 1646 imstande, die große
Glocke anzuschaffen und Hennersdorf 1651 seine Kirche zu bauen. Nur Schmograu und Reichthal
sind niedergebrannt und die Kreuzendorfer Kirche hat gelitten. Bei aller Not haben
sich die Evangelischen von Kaulwitz-Belmsdorf-Buchelsdorf von 1630-34 den Luxus der
gegenseitigen Verketzerung geleistet, indem ein fünfzig Jahre amtierender, schwenckfeldisch
gesinnter Geistlicher abgesetzt wurde.
Bei der bischöfischen Kirchenvisitation des Jahres 1638 durch Peter Gebauer, die
unter dem Schutz der kaiserlichen Waffen stattfand, sind die Kirchen des Skorischauer
Halter einzig und allein in katholischen Händen. Die Reichthaler Kirche ist verbrannt
gewesen und wieder aufgebaut worden, die Schweden haben sie ebenso wie die Kreuzendorfer
zum evangelischen Gottesdienste benützt, Die heiligen Geräte sind verschwunden.
Von den Kirchspielleuten wagen noch die Pfandherrn von Skorischau, die Herrn von Prittwitz,
mit ihren Frauen und Kindern, in Reichthal eine Frau und ein Schwarzfärber offen
ihren evangelischen Glauben zu bekennen. Letzterem, einem glaubensfesten und eifrigem
Manne, wird befohlen, die Stadt innerhalb zwei Monaten zu verlassen. Es gehörte
gewiß kein geringer Mut dazu unter solchen Umständen standhaft zu bleiben,
und wir müssen es diesen Leuten hoch anrechnen, daß sie ihren Glauben bekannt
haben eingedenk des Herrnwortes: wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch
bekennen vor meinem himmlischen Vater, denn Vertreibung von Haus und Hof waren sicher,
Gefängnis, Marter oder Tod waren zu fürchten. Die meisten werden ihre Überzeugung
still für sich verborgen haben - Mußkatholiken. Auch 1651, bei der Visitation
des Sebastian von Rostock, zeigte sich dasselbe Bild. Die Visitation erstreckte sich
nur auf die vier Kirchen des bischöflichen Patronats. In Reichthal wagen es drei
Bürger, sich als evangelisch zu bezeichnen. Sie erhalten den Befehl, entweder
überzutreten oder auszuwandern. Die Kreuzendorfer Kirche sieht noch immer jämmerlich
aus.
Sie, der frühere Sitz des Erzpriesters, wird von Michelsdorf aus durch einen Kaplan
verwaltet. In Blumenau, das zu Kreuzendorf gehört, aber von Wallendorf aus verwaltet
wird, ist evangelischer Gottesdienst gehalten worden, und niemand hat den Mut, etwas
zu tun, "wenn es nicht von oben befohlen wird", d. h. man ist evangelisch
gesinnt und leistet der Kirche nur etwas aus Furcht vor Strafe oder Bedrängnis.
So standen die Verhältnisse nach Ablauf des Dreißigjährigen Krieges.
In den bischöflichen Gebieten war eine armselige Herde von Mußkatholiken,
in Furcht und Zittern, von den "Nachfolgern in der Liebe Christi" von Haus
und Hof verjagt zu werden, die weltlichen Gebiete waren evangelisch. -
In Deutschland war der Friede nach 30 Jahren der Verwüstung und des Elends eingekehrt
- in Schlesien nicht. Obwohl es nicht zum deutschen Reiche gehörte, also auch
rechtlich nicht unter die blöden Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens
fiel, die wieder aufgefrischt worden waren, sondern die Freiheit der Religionsübung
durch den Majestätsbrief und den Dresdener Accord von 1621 besah, wurden im Prager
Rezeß von 1635 und im Frieden von Münster und Osnabrück 1648 die Bestimmungen
dieses untergeschoben, und so dem Kaiser das Recht zuerteilt, in seinen schlesischen
Fürstentümern nach dem Grundsatz zu Verfahren, daß der Fürst die
Religion seiner Untertanen bestimmen könne. Der berufene Schützer der evangelischen
Schlesier, der Kurfürst von Sachsen, hat in schlotternder Angst vor der Macht
des Kaisers uns im Stiche gelassen, und der schwedische Unterhändler diesen Erdenwinkel
für nebensächlich erklärt. So hatte der Kaiser - auch ein Landesvater
- die Möglichkeit, eine der größten Gemeinheiten durchzuführen,
die je ein christlicher Herrscher sich gegen seine treuen Untertanen erlaubt hat. Am
15. Mai 1653 erging an alle Pastoren und Lehrer im Namslauer Lande der Befehl, sich
bereit zu halten, die An-ordnungen der Regierung in Empfang zu nehmen. Am 27. Mai wurde
jede Predigt verboten und die Ausweisung der Pastoren angeordnet. Aber am 12. Juni
wurden sie schon aus den Pfarrhäusern hinausgesetzt. Die kaiserliche Kommission
unter dem Domherrn Kaspar von Oberg, dem Landes-Hauptmann von Kant, Kaspar von Bedau
und dem Propst von St. Nicolai in Breslau, Johann Reußner, wirkte aber noch im
Breslauer und Neumarkter Bezirk, beseitigte dort die evangelischen Geistlichen und
Lehrer, zog die Kirchen und Kirchengüter ein und brach jeden Widerstand mit Waffengewalt.
Erst am 25. Februar 1654 erschien sie gegen Abend in der Stadt Namslau. Den Pastoren
wurde sogleich das Predigen, den Lehrern der Religions-Unterricht untersagt. Sie hatten
in kurzer Zeit die Stadt zu verlassen. Die Seelsorge übernahmen drei Franziskaner.
Tags darauf, früh 10 Uhr, wurde die Peter-Paulkirche und darauf die Mönchskirche
weggenommen. Am 16. Mai erging der Befehl an den Magistrat, die geistlichen Stellen
mit katholischen Pfarrern zu besetzen. Man gab sich drein, nur um die Mönche los
zu werden, die man am meisten haßte, und erhielt in Lorenz Ivansthon aus Königsberg,
wohl einem importierten Iren, den ersten katholischen Geistlichen. Mit ihm zogen noch
zwei Kapläne ein.
Die Lehrerstellen wurden mit Neißer Katholiken besetzt. Ähnlich ging es
in allen Kirchorten des Kreises zu; es waren nur noch acht Stellen mit evangelischen
Geistlichen besetzt; Widerstand wagte man nicht mehr; über die Nutzlosigkeit war
man seit dem Stabelwitzer Morde nicht im Unklaren. Im ganzen sind damals 32 Kirchen
im Namslauer Kreise uns Evangelischen geraubt worden, natürlich mit den Pfarr-
und Lehrerhäusern, dem Grundbesitz und Geld. Der Pastor zu Kaulwitz ist wahrscheinlich
so plötzlich verjagt worden, daß er sein Gewand in Belmsdorf zurückgelassen
hat. Sein Name wird auc2h nicht mehr genant. Aber, so wirst du, lieber Glaubensgenosse,
sagen: Es war doch recht, daß die Katholiken ihre Kirchen wieder verlangten und
erhielten. Wir Evangelische hatten sie uns in der Reformationszeit widerrechtlich angeeignet.
Nun urteile selbst! Waren die Kirchen, Pfarrhäuser und Schulen von der organisierten
katholischen Kirche erbaut und die Widmung von ihr gekauft worden oder von der Ge-meinde
? Heutzutage hat ja meist bei Errichtung von Pfarrstellen die Gesamtkirche mitgeholfen;
damals war das nicht der Fall. So hatte denn die Gemeinde allein ein Anrecht auf ihren
Besitz. (Oder verliert etwa ein Besitzer sein Erbe, wenn er zu einer anderen Konfession
übertritt? Wurde also ein ganzes Dorf zur Zeit der Reformation ganz oder zum überwiegenden
Teil evangelisch, so hatten nach jedem natürlichen Rechtsempfinen die Evangelischen
das Anrecht darauf; blieb die Hälfte katholisch, so hatten gewiß beide Teile
ein Benutzungsrecht. Und warum sollten sie nicht schiedlich, friedlich einen gottesdienstlichen
Raum benutzen, wenn die Liebe Christi unter ihnen wohnte. So war die Tat des Kaisers
und der katholischen Kirche also kein Rechtsakt, sondern ein offener Raub, diktiert
vom Haß. Dazu kam, daß die zerfallenen Kirchen von Droschkau, Hennersdorf,
Kaulwitz (1592), Giesdorf und Bankwitz von Evangelischen wieder aufgebaut und Groß-Butschkau,
Dammer, Gülchen und Windisch-Marchwitz durch Evangelische überhaupt erstmalig
errichtet worden sind. Nicht wahr, bei diesen letzten vier Kirchen sind doch auch nach
jetzigem Rechtsempfinden keinerlei Einwürfe möglich und daß sie auch
später, nachdem Schlesien an Preußen gekommen ist, nicht zurückgegeben
worden sind, müssen wir selbst Friedrich dem Großen und den anderen preußischen
Königen zum Vorwurf machen. Friedrich der Große wollte auch nach dem Hubertusburger
Frieden von 1763 selbst den. Schein einer Gesetzesüberschreitung wahren und hat
dadurch uns Evangelischen bitteres Unrecht zugefügt; doch führt die Besprechung
dieses Satzes über den Nahmen der Arbeit hinaus. -
Die Wegnahme der Kirchen und Schulen mit ihrem Besitz war nur der Anfang zur schamlosesten
Bedrückung. Zunächst wurden Neugründungen nicht erlaubt. Wir Evangelischen
konnten nur die Grenzkirchen im Oelser und Konstadter Lande besuchen, aber auch das
wurde aufs äußerste er-schwert. Am Sonntage Invocavit 1663 hinderte der
Kommandant von Namslau, Oberst Graf Promnitz, die Bürger am Besuch der Woitsdorfer
Kirche mit dem Bemerken, daß für jeden Besuch einer auswärtigen Kirche
beim Erzpriester persönlich ein Erlaubnisschein gekauft werden müßte.
Wer hatte das Geld dazu nach den maßlosen Erpressungen des Krieges und der dreißigjährigen
Schädigung des Handels? Wer konnte vor den Gewaltigen treten, der ihn verderben
oder von Haus und Hof verjagen konnte? Als die Bürger erklärten, daß
sie auswandern wollten, wurde ihnen bedeutet, daß die Soldaten ihnen am Tore
die Sachen zerreißen würden. Vergeblich beklagten sich die Bürger beim
kaiserlichen Amte zu Breslau und beim Amt von Schlesien. Es wurde nur ärger. Sie
wurden beschimpft, geschmäht, man vergriff sich an ihnen und warf ihre Gesangbücher
in den Wallgraben. Da machten sich die Bürger Christoph Hoffmann und Gabriel Schneider
auf den Weg zum Kaiser nach Wien. Dort erwirkte man so viel, daß das Verbot aufgehoben
wurde. Wenn sonntäglich einer aus jedem Hause in die katholische Kirche zu kommen
sich verpflichtete. Wer aber sich dem entzog oder zur Messe zu spät kam, wurde
bestraft. Alle katholischen Feste mußte selbstverständ- lich mitgefeiert
werden, die Evangelischen mußten daran teilnehmen, zum Opfer gehen, die evangelischen
Adligen den Himmel über dem Pfarrer bei den Prozessionen tragen. 1669 kam das
Allgemeinverbot heraus, auswärtige Kirchen zu besuchen. Es wurde aber am 7. April
1670 wieder zurückgenommen und der Besuch auswärtiger Kirchen wieder gestattet,
weil man einsehen mochte, daß dadurch jeder Kirchenbesuch schwinden würde;
doch mußte dies Gebot am 13.Februar 1674 nochmals wiederholt werden, weil die
Nachgeordneten Behörden selbstverständlich eifriger sein wollten als der
Kaiser. Die häusliche Erbauung wurde gehindert. Religiöse Bücher und
Bibeln waren nicht im Handel und wurden weggenommen, wo man konnte. Am 30. Juni 1662
schrieb das kaiserliche Amt, daß niemand sich unterstehen solle, öffentlich
die lutherische Postille zu lesen. Der Bürger Christian Gärtner zu Namslau
übertrat dieses Gebot und mußte 1 Stein Wachs (= 24 Pfund) der Kirche geben.
In dem Visitationsprotokoll von Eckersdorf 1666 heißt es: Es verlautet, daß
der Gutsherr seinen Dienstboten und Untertanen in seinen Sälen vorlese, der Pfarrer
möge darauf sein Augenmerk richten und ihn dem Gericht übergeben.
.
Eine weitere Bedrückung erfolgte durch die Stolgebühren. Ursprünglich
gab es keine Taxe. Die katholischen Pfarrer forderten, wenn ein Evangelischer bei ihnen
die Erlaubnis holte - und er mußte sie holen -, seine Kinder in einer evangelischen
Kirche taufen oder trauen zu lassen oder seine Toten von einem evangelischen Geistlichen
beerdigen zu lassen, un-erschwingliche Geldsummen, so daß selbst der Kaiser,
der doch sonst kein Erbarmen mit unseren Vorfahren hatte, zum wiederholten Malen zur
Mäßigung mahnen mußte, ja 1662 eine Taxe bearbeiten ließ, die
keines-wegs der Willkür ein Ende setzte. Im Grünbergschen mutzten 10 Taler,
d. i. der Preis für zwei Kühe, in der ersten Zeit für ein Taufen oder
eine Trauung an den katholischen Pfarrer bezahlt werden, später 3 Taler für
eine Trauung und 25 Sgr. für eine Taufe. Für Beerdigungen waren ähnlich
hohe Beiträge zu leisten. Dann erst mußten noch die Gebühren an den
amtierenden evangelischen Geistlichen gezahlt werden, der von weit her zu holen war.
Auf die Dauer konnten die geplagten, armen Bauern unseres Kreises solche Lasten nur
mit der äußersten Anstrengung leisten. Wenn öftere Amtshandlungen vorkamen,
war bald das Vieh aus dem Stalle und die Ernte vom Boden weg. Der Dominialarbeiter
konnte solche Summen nicht zahlen, er mußte sich der katholischen Kirche ergeben,
wenn er noch einigermaßen christlich leben wollte, denn auswandern konnte er
auch nicht, weil er zum Gute gehörte, wie viel Jammer enthält die kurze Bemerkung
in den Visitationsakten von 1666 in Minkowski-: hinc zubinde aliquamdiu infantes asportant,
das heißt, die Leute schafften ihre kleinen Kinder über die Grenze ins Oelsnische.
Sie wollten lieber ihre Kinder entbehren, als katholisch werden lassen. In Eckersdorf
ermahnt der Visitator den Pfarrer, ja nicht zu gestatten, daß die Täuflinge
nach Mangschütz oder anders wohin gebracht würden. Das auswärtige Taufen
war also hier im Kreise schon 1666 streng verboten, im anderen Schlesien kam erst 1688
der Befehl des Bischofs, die Evangelischen nicht auswärts taufen und trauen zu
lassen, ein Befehl, der wohl nur hier und dort kräftig durchgeführt wurde.
Wer aber katholisch getauft oder getraut war, war unrettbar der katholischen Kirche
verfallen, höchstens konnte er auswandern.
Am schlimmsten hatte es die Jugend. Sie konnte nur katholischen Schul-Unterricht erlangen
oder wurde geistig und geistlich ausgehungert. Sie mußte auch zur Kinderlehre
gehen und sich so jede Beeinflussung durch den Pfarrer gefallen lassen. Daher war es
auch das erste, als man nach der Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich den Großen
Lust bekam, evangelische Schulen ins lieben zu rufen, Wie viele Eltern mußten
es erleben, daß ihre Kinder mit katholischen Lehren erfüllt und von ihnen
abgewendet wurden! Waisen bekamen natürlich katholische Vormünder oder wurden
im Kloster katholisch erzogen. Es ist wie ein Wunder Gottes zu betrachten, daß
unter solchen Verhältnissen 90 Jahre hindurch unsere Vorfahren durchgehalten haben,
es ist aber auch ein Zeichen von heldenmütiger Glaubenstreue und Ergebenheit in
Gott. Tausendfältig ist hier der Kampf zwischen Glauben und Heimat durchgefochten
worden. Auf unsagbarem Herzeleid und stummer Verzweiflung hat die katholische Kirche
sich hier wieder aufgebaut.
Noch einige kleine Bemerkungen aus den Visitationsakten und der Namslauer Chronik.
Buchelsdorf war ein rein evangelisches Dorf, hatte auch zeitweilig seinen eigenen evangelischen
Geistlichen. 1666 beschwert sich der katholische Pfarrer, daß der Schulze mit
ihm nicht verhandeln wolle, heut sind alle Besitzer bis auf einen katholisch. In Steinersdorf
behaupteten die Kirchenväter, daß kein Geld aus der protestantischen Zeit
da sei, - was aber nicht wahrscheinlich sei. Der Dominialherr von Sauerma hat das dem
evangelischen Geistlichen von dem Gut und der Gemeinde überwiesene Land schleunigst
einem Schuhmacher verkauft, damit es nicht in den unersättlichen Magen der Kirche
gerate. Einige Gutsherren, in Belmsdorf Peter Sigismund von Kotulinski, in Reichen
Sigismund Smolenski, in Kaulwitz Johann Joachim von Näfe, in Schmograu und Simmelwitz
Johann von Prittwitz und in Droschkau Gottfried von Sigrod halten die Akten und zum
Teil auch die heiligen Geräte zurück; bei Leonhard von Prittwitz in Dammer
sind die Akten und Geräte heimlich beiseite gebracht. In Glausche weigern sich
die meisten, fürs Wetterläuten etwas zu zahlen und Getreide zu "schütten".
In Skorischau sind die evangelischen Pfandherren beseitigt und der Schinder von 1654,
Kaspar von Oberg, als Administrator eingesetzt. In Wilkau hat der Kantor, der Thüringer
Essenberger, 1644 sein Katholische3 Herz entdeckt und ist zu Breslau zur katholischen
Kirche übergetreten. Der "Königliche Mann", d.i. der Vertreter
der Regierung, Adam von Kotulinski, mußte am 16. April 1663 sein Amt aufgeben
und sein Gut Buchelsdorf verkaufen; der Katholik Hans-Wolf von Frankenberg trat an
seine Stelle. Am M.April 1663 wurde der Rat Pfeiffer zu Namslau abgesetzt und am 18.
Mai 1663 eine neue Bürgermeisterwahl befohlen, denn ein Evangelischer durfte kein
Amt bekleiden. 1672 lieh der Erzpriester einfach einen freien Platz in Namslau als
Garten für sich einzäunen. 1675 wurde das Hospital der Stadt genommen und
dem hl. Petrus von Alikante geweiht. 169! errichtete der Bischof im äußersten
Winkel des Skorischauer Gebietes, ein Gasthaus, um die evangelischen Namslauer Brauer,
die ihr Bier in Glausche verschleißen durften, zu schädigen. Die katholische
Kirche hatte also überall Vollmacht und konnte tun, was sie für förderlich
hielt. Waren katholische und evangelische Erben irgendwo vorhanden, so sprachen die
Gerichte das Erbe den ersteren zu.
In Namslau werden 1666, d. i. also 12 Jahre nach dem Anfang der Bedrückung, 100
Katholiken angegeben, in Giesdorf und Simmelwitz einige wenige, in Strehlitz eine Familie.
In Butschkau wird hervorgehoben, daß die Bevölkerung gemischt sei, d. h.
der zum bischöflichen Halt gehörige Anteil (Klein-Butschkau) ist katholisch.
Sonst heißt es, wenn davon gesprochen wird, und excepte sind die Bewohner der
Pfarrdörfer evangelisch, d.h. richtig übersetzt "ohne Aufnahme",
oder alle sind Häretiker. 1682 werden im Namslauer Gebiet 507 Katholiken gezählt.
Daraus sehen wir, wie langsam die Rekatholisierung vor sich ging und wie tief die evangelische
Lehre eingewurzelt war. Diese Zahlen umfassen die Militär- und Amtspersonen, die
Pfarrer und Lehrer, die Täuflinge und Getrauten aus dem armen Volk, die Mündel
und einige Geschäftstüchtige, Wer freilich sich dem Zwange nicht fügen
wollte, verließ die Heimat und flüchtete ins Oels-Konstädter oder Brieg-Kreuzburger
Fürstentum oder über die Landesgrenze nach Kempen. In den Visitationsakten
von Dammer 1666 stehen die Worte: Die Bauern und Gärtner fliehen oft davon, indem
sie alles im Stiche lassen, Präge dir diese Worte recht fest ein, lieber evangelischer
Vater, der du deine Kinder so gern der katholischen Frau überlieferst. In jedem
Dorfe werden verlassene Höfe angegeben: in Kaulwitz 6 1/2, in Eckersdorf 12 Hufen,
in Krickau 3 Bauerngüter usw. Das Gut Gülchcn ist ganz aus Bauerngütern
entstanden. Glücklich konnten noch die Wilkauer sein, denen der Besitzer, Herzog
Wilhelm von Münsterberg, die Güter abkaufte (wohl an 30 Hufen); sie brauchten
nicht von vorn anzufangen oder sich als Arbeiter zu verdingen. Die von der Kirche abhängigen
Lauern und Gärtner sind wohl ausnahmslos allmählich von den Pfarrern beseitigt
oder zum Übertritt gezwungen worden. Ich spreche die Vermutung aus, daß
mit den Pfarrern, meist Polen, auch polnische Leute in die verlassenen Stellen eingetreten
sind.
Noch zu erwähnen ist einmal, daß die Alt-Ranstädter Konvention, die
uns die seit 1675 allmählich eingezogenen Kirchen der Fürstentümer Liegnitz,
Brieg, Wohlau,Oels und Münsterberg, dazu sechs Gnadenkirchen wiedergegeben hat,
dem Namslauer Kreise keine Erleichterung verschafft hat (1707), obwohl die Kirchen
von Strehlitz und Grambschütz nach dem Abkommen als Breslauer Patronatskirchen
hätten zurückgegeben werden müssen, Wahrscheinlich haben die Besitzer
von Lorzendorf und Buchelsdorf, die katholischen Frankenberg, die zwei Anteile des
großen Dorfes besaßen, ihren Einfluß geltend gemacht. Dann aber ist
noch zu erwähnen die immer mehr hervortretende Unduldsamkeit des katholischen
Pöbels. Bis zum heutigen Tage meint der Katholik sich alles erlauben zu dürfen,
und fühlt sich stets benachteiligt; wenn aber der Protestant es wagt, offenbares
Unrecht abzuwehren, dann kocht die katholische Volksseele, und die Hetze beginnt, sodaß
Fernerstehende stets die Evangelischen als Friedensstörer betrachten. Ein Beispiel
aus jener Zeit: Johann Christian Namsler, Sohn des Bürgermeisters zu Kempen (geb.
1732, Pastor zu Kaulwitz 1766, dann zu Namslau) erzählt, daß er in seiner
Studentenzeit von seinem katholischen Gevatter der Lästerung der Jungfrau Maria
beschuldigt worden sei. Er wurde angeklagt und ein Jahr im Kerker gehalten. Da er nicht
bewogen werden konnte, katholisch zu werden, sollte ihm die Zunge vom Nacken herausgerissen
werden. Er blieb aber auch auf dem Richtplatz fest. Da widerrief sein Ankläger
und erklärte, er hätte diese Anschuldigung nur erfunden, weil er nicht leiden
wollte, daß der begabte junge Mann der evangelischen Kirche dienen sollte, Von
einer Bestrafung dieses frevelhaften Menschen ist nichts verlautet.
Erst nach der Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich den Großen entstanden
im Namslauer Kreise vier Kirchen. In Namslau wurde durch den Rat und die Bürgerschaft
ein Bethaus auf der einen Ringseite errichtet, in Hönigern ebenfalls durch die
Gunst der evangelischen Herzöge von Oels-Karlsruhe. Droschkau wurde durch die
Familie von Prittwitz ins Leben gerufen und meistens für die Gemeinden des Groß-Wartenberger
und Kempener Kreises bestimmt. Kaulwitz wurde Zufluchtsgemeinde für die meisten
Dörfer der nördlichen Kreishälfte. Sie hatte nicht die Gunst eines reichen
Grundherrn, mußte sich deshalb zeitweilig wieder auflösen und ringt bis
heut um ihre Existenz. Erst 150 Jahre später sind dann die Kirchspiele Reichthal
und Strehlitz hinzugekommen. Auch sie sind ohne Hilfe der Glaubensgenossen nicht fähig,
sich zu erhalten, Schmerzlich ist es, daß durch den Frieden von 1918 die Kirchen
von Droschkau und Reichthal zu Polen gekommen sind.
Durch die rastlose Propaganda ist heut, auch wenn man dieses Gebiet nicht mehr hinzurechnet,
der Kreis Namslau fast zur Hälfte katholisch.
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