Reformation und Gegenreformation im Kreise Namslau

von Pastor Zeller-Kaulwitz

aus: Zeller, Reformation und Gegenwehr im Kreise Namslau, 1925, Pastor in Kaulwitz,
in der Unibibl. Wrozlaw (na Piasku/auf dem Sande) vorhanden



Die Reformation war in der Meinung des ganzen deutschen Volkes eine Notwendigkeit geworden. Die Mißstände verlangten gebieterisch eine Änderung. Ein großer Teil des Volkes war geistlich geworden oder zum religiösen Traumleben in die Klöster gegangen. In Breslau war jede 40. Person geistlich: im Brieger Fürstentum kamen auf 3000 Personen 50 Geistliche. Durch die Ablässe wanderten Unsummen über die Alpen. Dazu kam, daß die Buchdruckerkunst die Bibel und die Schriften der Alten überallhin verbreitete und dadurch der Unterschied der Religion unseres Heilandes von dem römischen Katholizismus offenbar wurde. Die Konzile des 15. Jahrhunderts, die man zum Zweck einer Reformation "an Haupt und Gliedern" berufen hatte, waren ergebnislos verlaufen. Die Päpste und Bischöfe waren Gegner jeder Besserung. Darum drängte man, als Luthers Ruf durch die deutschen Gaue ging, die Obrigkeit zur Abschaffung der ärgsten Mißstände. Man hoffte durch das allgemeine Vorgehen des Volkes ein Reformkonzil, das wirklich arbeitete, zu erzwingen. Man dachte mit keiner Silbe daran, das Band der alten Kirche zu sprengen und eine neue zu gründen. Darum behauptete noch lange der Rat von Breslau, daß er gut katholisch sei, nachdem er Luthers Lehre eingeführt hatte. Auch Kinder unseres Kreises sind damals nach Wittenberg gezogen, um evangelische Theologie zu studieren, z. B. Thomas Rieger aus Namslau und zwei Söhne des Kirchvaters Lukas Paritius aus Schmograu. Das ganze Volk war von der neuen Bewegung ergriffen. Wohlgemerkt, die kirchlichen Mißstände wollte man beseitigen, die religiöse Tat Luthers zu verstehen, blieb den meisten versagt. Dieser geistermächtige Prophet Gottes hat einen Kampf gekämpft, der einzig ist. Er ficht gegen die heidnische Magie in den Sakramenten, gegen die römische Knechtung im Beichtstuhl und die Versenkung ins Nichts im Gebetsleben. Er kennt keine besondereHeiligkeit der Priester, er beansprucht den ganzen Menschen, wie er in seinem Beruf sich zeigt, für Gott. Der treue gottesfürchtige Bürger gilt ihm mehr als der ehelose Faulenzer im Kloster. Vor allem sollte die eigene Überzeugung und die Wahrhaftigkeit eine Stätte finden, wie es dem Wesen des Heilandes als König der Wahrheit entspricht. Die griechisch-christliche Gedankenarbeit ist dem Wesen des modernen Deutschen fremd; sie ist religiöser Ballast - und für uns Unwahrheit. Die Dogmen machen uns nicht selig, sondern nur die Verbindung des Herzens mit Gott -. Von Erasmus an bis heut haben weite Schichten, sowohl des evangelischen als auch des katholischen Volkes die Abkehr von Rom innerlich vollzogen, sind aber nicht zur Höhe Luthers fortgeschritten. So kann man sich den leichten
Sieg der Reformation erklären und auch den Abfall, als die Stunde der Heimsuchung geschlagen hatte.
Wie überall in Deutschland, so wurden auch in Schlesien zuerst die Städte von der reformatorischen Bewegung ergriffen. Die Namslauer Chronik erzählt, daß schon 1525 in der Peter-Paul-Kirche evangelische Gottesdienste abgehalten worden seien. 1526 wagt es der Rat, die Klein-odien der Kirchen zum Zweck der Befestigung der Stadt zu verkaufen. Am 16. April 1532 berichtet der bischöfliche Kanzler Vinzentius seinem Herrn, die Namslauer, Striegauer u. a. hätten ein Gesuch eingebracht, die Ein-künfte der geistlichen Stellen zur Besoldung ihrer lutherischen Pfarrer und Lehrer verwenden zu können. Man hielt sich demnach evangelische Prediger und Lehrer neben den alten Pfarrern und Lehrern und suchte sie an deren Stelle zu setzen. 1558 starb ein evangelischer Kantor Dreißig. Derselbe ist nachweislich 20 Jahre im Amte gewesen; die Schule war also schon 1538 mit einem evangelischen Lehrer besetzt. 1545 folgte auch der erste evangelische Pastor, Thomas Rieger, im Kirchenamte. Bei der Einführung der Reformation waren die Bürgermeister Georg Roth (1558…), Georg Kleer (1568…) und Lukas Moller d.Ä. tätig. 1544 bestrafte der Kaiser die Stadt mit 1000Tr. wegen ihrer Beziehung zum schmalkaldischen Bunde. Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 wagten es auch die Gutsherren auf ihren Dörfern in den kaiserlichen Erblanden zu reformieren. Besonders scheinen die Familien von Kotulinski und von Prittwitz, denen die meisten Dörfer des Kreises gehörten, eifrige Anhänger der Reformation gewesen zu sein. Die Stimmung des Volkes kam ihnen dabei entgegen oder drängte sie zu diesem Schritt. 1560 wurde Lorzendorf, 1562 Simmelwitz, 1564 Schmograu, 1565 Bankwitz, 1574 Kaulwitz, 1579 Reichen, 1587 Wilkau, 1590 Jakobsdorf, 1619 Strehlitz und 1624 Glausche nachweislich mit evangelischen Geistlichen besetzt. Damit ist nicht gesagt, daß die früheren Geistlichen nicht Luthers Lehre verkündigt hätten, sie waren nur nicht ordnungsmäßig von der evangelischen Kirchenbehörde bestätigt. Mit diesen Mutterkirchen fielen auch die Filialkirchen der Reformation zu: Paulsdorf und Droschkau, Gießdorf, Steinersdorf-Sterzendorf, Eckersdorf, Städtel-Schwirz, Lankau, Grambschütz, Hennersdorf, Minkowski, Nassadel, Altstadt. Das Franziskanerkloster in Namslau ging ein, und in der Kirche wurde evangelischer Gottesdienst polnisch abgehalten. Die Filialen von Michelsdorf, Krickau und Belmsdorf sind wohl 1590 bei der Neubesetzung der Pfarrstelle durch einen altgläubigen Geistlichen losgerissen und mit Jakobsdorf und Kaulwitz verbunden worden. Buchelsdorf wurde von Glausche abgetrennt und Kaulwitz zugepfarrt, als die beiden Familien von Näfe evangelisch wurden. Auch Blumenau (Schweinern) ging an die Evangelischen über. In Buchelsdorf wurde ein wundertätiges Bild des hl. Jakobus als Ärgernis weg-gebracht, in Giesdorf die Reliquie der hl. Hedwig durch Kaspar von Kotulinski beerdigt.
Erst durch das Tridentiner Konzil (1545-63) wurden die Evangelischen aus der alten Kirche hinausgedrängt. Bis dahin hielt man eine Verständigung für möglich. Erst von da an war man eine besondere Konfession und zählte die Geistlichen gesondert. Zum Kampf gegen die Evangelischen treten nunmehr seit 1540 die Jesuiten und die von ihnen geleiteten Domkapitel an. Diese verfolgen die Absicht, die Unfehlbarkeit und Weltherrschaft des Papstes durchzusetzen und den Protestantismus rücksichtslos zu vernichten. Treue und Glauben kennt er dabei nicht, List und Trug werden skrupellos angewendet. Jede Gemeinheit und Gewalttat gelten, wenn nur das Ziel erreicht wird. Ihr Wirken hat Deutschland unsägliches Elend zugefügt und es in ein Meer von Blut getaucht. -- Im Namslauer Kreise bot sich als Grundlage für die Rekatholisierung der sogenannte Skorischauer Halt dar. In diesem Gebiete konnte der Bischof zu Breslau souverän gebieten wie im Fürstentum Neiße-Grottkau. Die Pfarrkirchen von Reichthal, Kreuzendorf, Wallendorf und Michelsdorf standen unter seinem Patronat. Zeit etwa 1574 nahm er keine Rücksicht mehr auf das Bekenntnis der Kirch-spielleute, sondern setzte Altgläubige ein. Mochten immerhin die Ortskirchen leer bleiben, wenn nur das formale Recht behauptet wurde. Die von Lindanus abgehaltene Kirchenvisitation von 1579 beschränkte sich nur auf die Kirchen von Reichthal, Kreuzendorf und Wallendorf. Die Michelsdorfer Kirche wurde nicht visitiert, war darnach in evangelischen Händen. Der Befund in den drei Kirchgemeinden war der: die Kirche in Reichthal ist seit 18 Jahren nicht geweiht, desgleichen nicht der Altar und die Glocken. Firmung hat seit Menschengedenken nicht stattgefunden. Die Bürgerschaft zahlt dem Pfarrer nicht die Novalien. Die Dörfer Kreuzendorf, Proschau und Wallendorf besucht der Visitator nur flüchtig, weil er weder Hafer für seine Pferde, noch Lebensunterhalt erhält. Der Katholizismus war also eigentlich erloschen, trotzdem die Pfarrer betonen, daß alles in gutem Zustande sei. Eins solche Aufnahme des Abgesandten ihres Fürsten und Bischofs besagt genug. Der Kreis Namslau war also 1579 evangelisch - bis auf die drei Pfarrer, die aber auch kaum noch mit ihrem Herzen dabei waren. Der Dreißigjährige Krieg ist am Namslauer Gebiet verhältnismäßig glimpflich vorübergegangen. Freilich haben Durchzüge von Heeres-Haufen stattgefunden (1618, 1620 Kosaken, 1622 Gefecht bei Noldau, 1634 wird Namslau von den Kaiserlichen, 1642 von den Schweden berannt usw.), aber die starke Wasserfestung Namslau lag zu weit abseits. Das Land war früher oft durch Poleneinfälle verwüstet worden und bot keine Reichtümer. Dazu hatte der harte Steuerdruck und die Lieferungen für Heereszwecke das Land völlig ausgesogen. Die Lichtensteiner Dragoner des Burggrafen Hannibal von Dohna, die Seligmacher, die im anderen Schlesien die Evangelischen drangsaliert und der Verzweiflung zugetrieben haben, haben nur kurze Zeit unter dem Oberstleutnant de Goes in Namslau gelegen. Der Burggraf von Dohna erwartete nämlich für seine Henkerdienste die Belohnung mit dem Fürstentum Breslau-Neumarkt-Namslau und hatte kein Interesse daran, sein Land zu verwüsten und die Bewohner zu verjagen. Die Kirchen haben daher nach dem Kriege fast alle noch ihre heiligen Gefäße, Gewänder und Glocken. Die Evangelischen von Kaulwitz sind 1646 imstande, die große Glocke anzuschaffen und Hennersdorf 1651 seine Kirche zu bauen. Nur Schmograu und Reichthal sind niedergebrannt und die Kreuzendorfer Kirche hat gelitten. Bei aller Not haben sich die Evangelischen von Kaulwitz-Belmsdorf-Buchelsdorf von 1630-34 den Luxus der gegenseitigen Verketzerung geleistet, indem ein fünfzig Jahre amtierender, schwenckfeldisch gesinnter Geistlicher abgesetzt wurde.
Bei der bischöfischen Kirchenvisitation des Jahres 1638 durch Peter Gebauer, die unter dem Schutz der kaiserlichen Waffen stattfand, sind die Kirchen des Skorischauer Halter einzig und allein in katholischen Händen. Die Reichthaler Kirche ist verbrannt gewesen und wieder aufgebaut worden, die Schweden haben sie ebenso wie die Kreuzendorfer zum evangelischen Gottesdienste benützt, Die heiligen Geräte sind verschwunden. Von den Kirchspielleuten wagen noch die Pfandherrn von Skorischau, die Herrn von Prittwitz, mit ihren Frauen und Kindern, in Reichthal eine Frau und ein Schwarzfärber offen ihren evangelischen Glauben zu bekennen. Letzterem, einem glaubensfesten und eifrigem Manne, wird befohlen, die Stadt innerhalb zwei Monaten zu verlassen. Es gehörte gewiß kein geringer Mut dazu unter solchen Umständen standhaft zu bleiben, und wir müssen es diesen Leuten hoch anrechnen, daß sie ihren Glauben bekannt haben eingedenk des Herrnwortes: wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater, denn Vertreibung von Haus und Hof waren sicher, Gefängnis, Marter oder Tod waren zu fürchten. Die meisten werden ihre Überzeugung still für sich verborgen haben - Mußkatholiken. Auch 1651, bei der Visitation des Sebastian von Rostock, zeigte sich dasselbe Bild. Die Visitation erstreckte sich nur auf die vier Kirchen des bischöflichen Patronats. In Reichthal wagen es drei Bürger, sich als evangelisch zu bezeichnen. Sie erhalten den Befehl, entweder überzutreten oder auszuwandern. Die Kreuzendorfer Kirche sieht noch immer jämmerlich aus.
Sie, der frühere Sitz des Erzpriesters, wird von Michelsdorf aus durch einen Kaplan verwaltet. In Blumenau, das zu Kreuzendorf gehört, aber von Wallendorf aus verwaltet wird, ist evangelischer Gottesdienst gehalten worden, und niemand hat den Mut, etwas zu tun, "wenn es nicht von oben befohlen wird", d. h. man ist evangelisch gesinnt und leistet der Kirche nur etwas aus Furcht vor Strafe oder Bedrängnis. So standen die Verhältnisse nach Ablauf des Dreißigjährigen Krieges. In den bischöflichen Gebieten war eine armselige Herde von Mußkatholiken, in Furcht und Zittern, von den "Nachfolgern in der Liebe Christi" von Haus und Hof verjagt zu werden, die weltlichen Gebiete waren evangelisch. -
In Deutschland war der Friede nach 30 Jahren der Verwüstung und des Elends eingekehrt - in Schlesien nicht. Obwohl es nicht zum deutschen Reiche gehörte, also auch rechtlich nicht unter die blöden Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens fiel, die wieder aufgefrischt worden waren, sondern die Freiheit der Religionsübung durch den Majestätsbrief und den Dresdener Accord von 1621 besah, wurden im Prager Rezeß von 1635 und im Frieden von Münster und Osnabrück 1648 die Bestimmungen dieses untergeschoben, und so dem Kaiser das Recht zuerteilt, in seinen schlesischen Fürstentümern nach dem Grundsatz zu Verfahren, daß der Fürst die Religion seiner Untertanen bestimmen könne. Der berufene Schützer der evangelischen Schlesier, der Kurfürst von Sachsen, hat in schlotternder Angst vor der Macht des Kaisers uns im Stiche gelassen, und der schwedische Unterhändler diesen Erdenwinkel für nebensächlich erklärt. So hatte der Kaiser - auch ein Landesvater - die Möglichkeit, eine der größten Gemeinheiten durchzuführen, die je ein christlicher Herrscher sich gegen seine treuen Untertanen erlaubt hat. Am 15. Mai 1653 erging an alle Pastoren und Lehrer im Namslauer Lande der Befehl, sich bereit zu halten, die An-ordnungen der Regierung in Empfang zu nehmen. Am 27. Mai wurde jede Predigt verboten und die Ausweisung der Pastoren angeordnet. Aber am 12. Juni wurden sie schon aus den Pfarrhäusern hinausgesetzt. Die kaiserliche Kommission unter dem Domherrn Kaspar von Oberg, dem Landes-Hauptmann von Kant, Kaspar von Bedau und dem Propst von St. Nicolai in Breslau, Johann Reußner, wirkte aber noch im Breslauer und Neumarkter Bezirk, beseitigte dort die evangelischen Geistlichen und Lehrer, zog die Kirchen und Kirchengüter ein und brach jeden Widerstand mit Waffengewalt. Erst am 25. Februar 1654 erschien sie gegen Abend in der Stadt Namslau. Den Pastoren wurde sogleich das Predigen, den Lehrern der Religions-Unterricht untersagt. Sie hatten in kurzer Zeit die Stadt zu verlassen. Die Seelsorge übernahmen drei Franziskaner. Tags darauf, früh 10 Uhr, wurde die Peter-Paulkirche und darauf die Mönchskirche weggenommen. Am 16. Mai erging der Befehl an den Magistrat, die geistlichen Stellen mit katholischen Pfarrern zu besetzen. Man gab sich drein, nur um die Mönche los zu werden, die man am meisten haßte, und erhielt in Lorenz Ivansthon aus Königsberg, wohl einem importierten Iren, den ersten katholischen Geistlichen. Mit ihm zogen noch zwei Kapläne ein.
Die Lehrerstellen wurden mit Neißer Katholiken besetzt. Ähnlich ging es in allen Kirchorten des Kreises zu; es waren nur noch acht Stellen mit evangelischen Geistlichen besetzt; Widerstand wagte man nicht mehr; über die Nutzlosigkeit war man seit dem Stabelwitzer Morde nicht im Unklaren. Im ganzen sind damals 32 Kirchen im Namslauer Kreise uns Evangelischen geraubt worden, natürlich mit den Pfarr- und Lehrerhäusern, dem Grundbesitz und Geld. Der Pastor zu Kaulwitz ist wahrscheinlich so plötzlich verjagt worden, daß er sein Gewand in Belmsdorf zurückgelassen hat. Sein Name wird auc2h nicht mehr genant. Aber, so wirst du, lieber Glaubensgenosse, sagen: Es war doch recht, daß die Katholiken ihre Kirchen wieder verlangten und erhielten. Wir Evangelische hatten sie uns in der Reformationszeit widerrechtlich angeeignet. Nun urteile selbst! Waren die Kirchen, Pfarrhäuser und Schulen von der organisierten katholischen Kirche erbaut und die Widmung von ihr gekauft worden oder von der Ge-meinde ? Heutzutage hat ja meist bei Errichtung von Pfarrstellen die Gesamtkirche mitgeholfen; damals war das nicht der Fall. So hatte denn die Gemeinde allein ein Anrecht auf ihren Besitz. (Oder verliert etwa ein Besitzer sein Erbe, wenn er zu einer anderen Konfession übertritt? Wurde also ein ganzes Dorf zur Zeit der Reformation ganz oder zum überwiegenden Teil evangelisch, so hatten nach jedem natürlichen Rechtsempfinen die Evangelischen das Anrecht darauf; blieb die Hälfte katholisch, so hatten gewiß beide Teile ein Benutzungsrecht. Und warum sollten sie nicht schiedlich, friedlich einen gottesdienstlichen Raum benutzen, wenn die Liebe Christi unter ihnen wohnte. So war die Tat des Kaisers und der katholischen Kirche also kein Rechtsakt, sondern ein offener Raub, diktiert vom Haß. Dazu kam, daß die zerfallenen Kirchen von Droschkau, Hennersdorf, Kaulwitz (1592), Giesdorf und Bankwitz von Evangelischen wieder aufgebaut und Groß-Butschkau, Dammer, Gülchen und Windisch-Marchwitz durch Evangelische überhaupt erstmalig errichtet worden sind. Nicht wahr, bei diesen letzten vier Kirchen sind doch auch nach jetzigem Rechtsempfinden keinerlei Einwürfe möglich und daß sie auch später, nachdem Schlesien an Preußen gekommen ist, nicht zurückgegeben worden sind, müssen wir selbst Friedrich dem Großen und den anderen preußischen Königen zum Vorwurf machen. Friedrich der Große wollte auch nach dem Hubertusburger Frieden von 1763 selbst den. Schein einer Gesetzesüberschreitung wahren und hat dadurch uns Evangelischen bitteres Unrecht zugefügt; doch führt die Besprechung dieses Satzes über den Nahmen der Arbeit hinaus. -
Die Wegnahme der Kirchen und Schulen mit ihrem Besitz war nur der Anfang zur schamlosesten Bedrückung. Zunächst wurden Neugründungen nicht erlaubt. Wir Evangelischen konnten nur die Grenzkirchen im Oelser und Konstadter Lande besuchen, aber auch das wurde aufs äußerste er-schwert. Am Sonntage Invocavit 1663 hinderte der Kommandant von Namslau, Oberst Graf Promnitz, die Bürger am Besuch der Woitsdorfer Kirche mit dem Bemerken, daß für jeden Besuch einer auswärtigen Kirche beim Erzpriester persönlich ein Erlaubnisschein gekauft werden müßte.
Wer hatte das Geld dazu nach den maßlosen Erpressungen des Krieges und der dreißigjährigen Schädigung des Handels? Wer konnte vor den Gewaltigen treten, der ihn verderben oder von Haus und Hof verjagen konnte? Als die Bürger erklärten, daß sie auswandern wollten, wurde ihnen bedeutet, daß die Soldaten ihnen am Tore die Sachen zerreißen würden. Vergeblich beklagten sich die Bürger beim kaiserlichen Amte zu Breslau und beim Amt von Schlesien. Es wurde nur ärger. Sie wurden beschimpft, geschmäht, man vergriff sich an ihnen und warf ihre Gesangbücher in den Wallgraben. Da machten sich die Bürger Christoph Hoffmann und Gabriel Schneider auf den Weg zum Kaiser nach Wien. Dort erwirkte man so viel, daß das Verbot aufgehoben wurde. Wenn sonntäglich einer aus jedem Hause in die katholische Kirche zu kommen sich verpflichtete. Wer aber sich dem entzog oder zur Messe zu spät kam, wurde bestraft. Alle katholischen Feste mußte selbstverständ- lich mitgefeiert werden, die Evangelischen mußten daran teilnehmen, zum Opfer gehen, die evangelischen Adligen den Himmel über dem Pfarrer bei den Prozessionen tragen. 1669 kam das Allgemeinverbot heraus, auswärtige Kirchen zu besuchen. Es wurde aber am 7. April 1670 wieder zurückgenommen und der Besuch auswärtiger Kirchen wieder gestattet, weil man einsehen mochte, daß dadurch jeder Kirchenbesuch schwinden würde; doch mußte dies Gebot am 13.Februar 1674 nochmals wiederholt werden, weil die Nachgeordneten Behörden selbstverständlich eifriger sein wollten als der Kaiser. Die häusliche Erbauung wurde gehindert. Religiöse Bücher und Bibeln waren nicht im Handel und wurden weggenommen, wo man konnte. Am 30. Juni 1662 schrieb das kaiserliche Amt, daß niemand sich unterstehen solle, öffentlich die lutherische Postille zu lesen. Der Bürger Christian Gärtner zu Namslau übertrat dieses Gebot und mußte 1 Stein Wachs (= 24 Pfund) der Kirche geben. In dem Visitationsprotokoll von Eckersdorf 1666 heißt es: Es verlautet, daß der Gutsherr seinen Dienstboten und Untertanen in seinen Sälen vorlese, der Pfarrer möge darauf sein Augenmerk richten und ihn dem Gericht übergeben.
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Eine weitere Bedrückung erfolgte durch die Stolgebühren. Ursprünglich gab es keine Taxe. Die katholischen Pfarrer forderten, wenn ein Evangelischer bei ihnen die Erlaubnis holte - und er mußte sie holen -, seine Kinder in einer evangelischen Kirche taufen oder trauen zu lassen oder seine Toten von einem evangelischen Geistlichen beerdigen zu lassen, un-erschwingliche Geldsummen, so daß selbst der Kaiser, der doch sonst kein Erbarmen mit unseren Vorfahren hatte, zum wiederholten Malen zur Mäßigung mahnen mußte, ja 1662 eine Taxe bearbeiten ließ, die keines-wegs der Willkür ein Ende setzte. Im Grünbergschen mutzten 10 Taler, d. i. der Preis für zwei Kühe, in der ersten Zeit für ein Taufen oder eine Trauung an den katholischen Pfarrer bezahlt werden, später 3 Taler für eine Trauung und 25 Sgr. für eine Taufe. Für Beerdigungen waren ähnlich hohe Beiträge zu leisten. Dann erst mußten noch die Gebühren an den amtierenden evangelischen Geistlichen gezahlt werden, der von weit her zu holen war. Auf die Dauer konnten die geplagten, armen Bauern unseres Kreises solche Lasten nur mit der äußersten Anstrengung leisten. Wenn öftere Amtshandlungen vorkamen, war bald das Vieh aus dem Stalle und die Ernte vom Boden weg. Der Dominialarbeiter konnte solche Summen nicht zahlen, er mußte sich der katholischen Kirche ergeben, wenn er noch einigermaßen christlich leben wollte, denn auswandern konnte er auch nicht, weil er zum Gute gehörte, wie viel Jammer enthält die kurze Bemerkung in den Visitationsakten von 1666 in Minkowski-: hinc zubinde aliquamdiu infantes asportant, das heißt, die Leute schafften ihre kleinen Kinder über die Grenze ins Oelsnische. Sie wollten lieber ihre Kinder entbehren, als katholisch werden lassen. In Eckersdorf ermahnt der Visitator den Pfarrer, ja nicht zu gestatten, daß die Täuflinge nach Mangschütz oder anders wohin gebracht würden. Das auswärtige Taufen war also hier im Kreise schon 1666 streng verboten, im anderen Schlesien kam erst 1688 der Befehl des Bischofs, die Evangelischen nicht auswärts taufen und trauen zu lassen, ein Befehl, der wohl nur hier und dort kräftig durchgeführt wurde. Wer aber katholisch getauft oder getraut war, war unrettbar der katholischen Kirche verfallen, höchstens konnte er auswandern.
Am schlimmsten hatte es die Jugend. Sie konnte nur katholischen Schul-Unterricht erlangen oder wurde geistig und geistlich ausgehungert. Sie mußte auch zur Kinderlehre gehen und sich so jede Beeinflussung durch den Pfarrer gefallen lassen. Daher war es auch das erste, als man nach der Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich den Großen Lust bekam, evangelische Schulen ins lieben zu rufen, Wie viele Eltern mußten es erleben, daß ihre Kinder mit katholischen Lehren erfüllt und von ihnen abgewendet wurden! Waisen bekamen natürlich katholische Vormünder oder wurden im Kloster katholisch erzogen. Es ist wie ein Wunder Gottes zu betrachten, daß unter solchen Verhältnissen 90 Jahre hindurch unsere Vorfahren durchgehalten haben, es ist aber auch ein Zeichen von heldenmütiger Glaubenstreue und Ergebenheit in Gott. Tausendfältig ist hier der Kampf zwischen Glauben und Heimat durchgefochten worden. Auf unsagbarem Herzeleid und stummer Verzweiflung hat die katholische Kirche sich hier wieder aufgebaut.
Noch einige kleine Bemerkungen aus den Visitationsakten und der Namslauer Chronik. Buchelsdorf war ein rein evangelisches Dorf, hatte auch zeitweilig seinen eigenen evangelischen Geistlichen. 1666 beschwert sich der katholische Pfarrer, daß der Schulze mit ihm nicht verhandeln wolle, heut sind alle Besitzer bis auf einen katholisch. In Steinersdorf behaupteten die Kirchenväter, daß kein Geld aus der protestantischen Zeit da sei, - was aber nicht wahrscheinlich sei. Der Dominialherr von Sauerma hat das dem evangelischen Geistlichen von dem Gut und der Gemeinde überwiesene Land schleunigst einem Schuhmacher verkauft, damit es nicht in den unersättlichen Magen der Kirche gerate. Einige Gutsherren, in Belmsdorf Peter Sigismund von Kotulinski, in Reichen Sigismund Smolenski, in Kaulwitz Johann Joachim von Näfe, in Schmograu und Simmelwitz Johann von Prittwitz und in Droschkau Gottfried von Sigrod halten die Akten und zum Teil auch die heiligen Geräte zurück; bei Leonhard von Prittwitz in Dammer sind die Akten und Geräte heimlich beiseite gebracht. In Glausche weigern sich die meisten, fürs Wetterläuten etwas zu zahlen und Getreide zu "schütten". In Skorischau sind die evangelischen Pfandherren beseitigt und der Schinder von 1654, Kaspar von Oberg, als Administrator eingesetzt. In Wilkau hat der Kantor, der Thüringer Essenberger, 1644 sein Katholische3 Herz entdeckt und ist zu Breslau zur katholischen Kirche übergetreten. Der "Königliche Mann", d.i. der Vertreter der Regierung, Adam von Kotulinski, mußte am 16. April 1663 sein Amt aufgeben und sein Gut Buchelsdorf verkaufen; der Katholik Hans-Wolf von Frankenberg trat an seine Stelle. Am M.April 1663 wurde der Rat Pfeiffer zu Namslau abgesetzt und am 18. Mai 1663 eine neue Bürgermeisterwahl befohlen, denn ein Evangelischer durfte kein Amt bekleiden. 1672 lieh der Erzpriester einfach einen freien Platz in Namslau als Garten für sich einzäunen. 1675 wurde das Hospital der Stadt genommen und dem hl. Petrus von Alikante geweiht. 169! errichtete der Bischof im äußersten Winkel des Skorischauer Gebietes, ein Gasthaus, um die evangelischen Namslauer Brauer, die ihr Bier in Glausche verschleißen durften, zu schädigen. Die katholische Kirche hatte also überall Vollmacht und konnte tun, was sie für förderlich hielt. Waren katholische und evangelische Erben irgendwo vorhanden, so sprachen die Gerichte das Erbe den ersteren zu.
In Namslau werden 1666, d. i. also 12 Jahre nach dem Anfang der Bedrückung, 100 Katholiken angegeben, in Giesdorf und Simmelwitz einige wenige, in Strehlitz eine Familie. In Butschkau wird hervorgehoben, daß die Bevölkerung gemischt sei, d. h. der zum bischöflichen Halt gehörige Anteil (Klein-Butschkau) ist katholisch. Sonst heißt es, wenn davon gesprochen wird, und excepte sind die Bewohner der Pfarrdörfer evangelisch, d.h. richtig übersetzt "ohne Aufnahme", oder alle sind Häretiker. 1682 werden im Namslauer Gebiet 507 Katholiken gezählt. Daraus sehen wir, wie langsam die Rekatholisierung vor sich ging und wie tief die evangelische Lehre eingewurzelt war. Diese Zahlen umfassen die Militär- und Amtspersonen, die Pfarrer und Lehrer, die Täuflinge und Getrauten aus dem armen Volk, die Mündel und einige Geschäftstüchtige, Wer freilich sich dem Zwange nicht fügen wollte, verließ die Heimat und flüchtete ins Oels-Konstädter oder Brieg-Kreuzburger Fürstentum oder über die Landesgrenze nach Kempen. In den Visitationsakten von Dammer 1666 stehen die Worte: Die Bauern und Gärtner fliehen oft davon, indem sie alles im Stiche lassen, Präge dir diese Worte recht fest ein, lieber evangelischer Vater, der du deine Kinder so gern der katholischen Frau überlieferst. In jedem Dorfe werden verlassene Höfe angegeben: in Kaulwitz 6 1/2, in Eckersdorf 12 Hufen, in Krickau 3 Bauerngüter usw. Das Gut Gülchcn ist ganz aus Bauerngütern entstanden. Glücklich konnten noch die Wilkauer sein, denen der Besitzer, Herzog Wilhelm von Münsterberg, die Güter abkaufte (wohl an 30 Hufen); sie brauchten nicht von vorn anzufangen oder sich als Arbeiter zu verdingen. Die von der Kirche abhängigen Lauern und Gärtner sind wohl ausnahmslos allmählich von den Pfarrern beseitigt oder zum Übertritt gezwungen worden. Ich spreche die Vermutung aus, daß mit den Pfarrern, meist Polen, auch polnische Leute in die verlassenen Stellen eingetreten sind.
Noch zu erwähnen ist einmal, daß die Alt-Ranstädter Konvention, die uns die seit 1675 allmählich eingezogenen Kirchen der Fürstentümer Liegnitz, Brieg, Wohlau,Oels und Münsterberg, dazu sechs Gnadenkirchen wiedergegeben hat, dem Namslauer Kreise keine Erleichterung verschafft hat (1707), obwohl die Kirchen von Strehlitz und Grambschütz nach dem Abkommen als Breslauer Patronatskirchen hätten zurückgegeben werden müssen, Wahrscheinlich haben die Besitzer von Lorzendorf und Buchelsdorf, die katholischen Frankenberg, die zwei Anteile des großen Dorfes besaßen, ihren Einfluß geltend gemacht. Dann aber ist noch zu erwähnen die immer mehr hervortretende Unduldsamkeit des katholischen Pöbels. Bis zum heutigen Tage meint der Katholik sich alles erlauben zu dürfen, und fühlt sich stets benachteiligt; wenn aber der Protestant es wagt, offenbares Unrecht abzuwehren, dann kocht die katholische Volksseele, und die Hetze beginnt, sodaß Fernerstehende stets die Evangelischen als Friedensstörer betrachten. Ein Beispiel aus jener Zeit: Johann Christian Namsler, Sohn des Bürgermeisters zu Kempen (geb. 1732, Pastor zu Kaulwitz 1766, dann zu Namslau) erzählt, daß er in seiner Studentenzeit von seinem katholischen Gevatter der Lästerung der Jungfrau Maria beschuldigt worden sei. Er wurde angeklagt und ein Jahr im Kerker gehalten. Da er nicht bewogen werden konnte, katholisch zu werden, sollte ihm die Zunge vom Nacken herausgerissen werden. Er blieb aber auch auf dem Richtplatz fest. Da widerrief sein Ankläger und erklärte, er hätte diese Anschuldigung nur erfunden, weil er nicht leiden wollte, daß der begabte junge Mann der evangelischen Kirche dienen sollte, Von einer Bestrafung dieses frevelhaften Menschen ist nichts verlautet.
Erst nach der Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich den Großen entstanden im Namslauer Kreise vier Kirchen. In Namslau wurde durch den Rat und die Bürgerschaft ein Bethaus auf der einen Ringseite errichtet, in Hönigern ebenfalls durch die Gunst der evangelischen Herzöge von Oels-Karlsruhe. Droschkau wurde durch die Familie von Prittwitz ins Leben gerufen und meistens für die Gemeinden des Groß-Wartenberger und Kempener Kreises bestimmt. Kaulwitz wurde Zufluchtsgemeinde für die meisten Dörfer der nördlichen Kreishälfte. Sie hatte nicht die Gunst eines reichen Grundherrn, mußte sich deshalb zeitweilig wieder auflösen und ringt bis heut um ihre Existenz. Erst 150 Jahre später sind dann die Kirchspiele Reichthal und Strehlitz hinzugekommen. Auch sie sind ohne Hilfe der Glaubensgenossen nicht fähig, sich zu erhalten, Schmerzlich ist es, daß durch den Frieden von 1918 die Kirchen von Droschkau und Reichthal zu Polen gekommen sind.
Durch die rastlose Propaganda ist heut, auch wenn man dieses Gebiet nicht mehr hinzurechnet, der Kreis Namslau fast zur Hälfte katholisch.