Im März 1930 kaufte die "Gemeinnützige dt.Ansiedlungsbank Berlin"
das Rittergut Groß-Marchwitz zu Siedelungszwecken. Seit dem Jahre 1840 befand
sich dasselbe im Besitz der Familie von Buße. Die Gesamtfläche mit dem 1914
angekauften Erbscholtiseigut betrug 816 Hektar, davon etwa 200 Hektar Wald und Feldgehölze,
Der Wald, zum größten Teil aufgewachsenes, schlagbares Kiefern- und Fichtenholz,
wurde vorher an das "Berliner Holzkontor" verkauft, welches die Hölzer
bis auf den 3ojährigen Bestand abschlug. Es wurden zunächst Gruben- und Schleifhölzer
geschlagen; erst im folgenden Winter schreitet man zum Kahlschlag der älteren
Bestände. Schöne Waldbestände werden dem Auge des Naturfreundes entrissen!
Wo früher herrlich duftender Wald den Menschen erfreute und den Tieren sicheren
Schutz bot, liegen nun kahle und öde Flächen, auf denen an die hundert Menschen
täglich beim Roden der Stöcke anzutreffen sind. Man beugt der Holzart durch
Bergung des Stockholzes vor und macht das Land urbar.
Nachdem die einzelnen Siedlerstellen in die Feldmark untergebracht sind und die provisorische
Absteckung der Gehöfte stattgefunden hat, wird zum Ausbau der Gehöfte geschritten.
Zunächst wird der Umbau der vorhandenen Gutsgebäude vorgenommen, jedoch mit
Ausnahme des Herrenhauses und des Witwenhauses. Letzteres verbleibt der Familie von
Buße, wurde aber 1934 an die Firma Fiebig, Namslau, verkauft, die es noch in
demselben Jahr an den Kreisbauernführer Wiehle weiterverkaufte. Eine rege Bautätigkeit
setzt ein. Bald entstehen in der Feldmark kleinere und größere Bauten, bestehend
aus Wohnhaus und Stallgebäude mit Scheuer. Der erste Entwurf, die Siedlungen anschließend
und geschlossen an das an das Dorf zu errichten, wurde nach seiner Genehmigung plötzlich
durch Regierungsrat Thal, Oels, umgeworfen und ein neuer Entwurf, wie wir ihn heute
verwirklicht sehen, durchgeführt. Welche großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten
daraus entstehen mußten, ist vorher leider nicht überdacht worden; 6 km
Ortsnetz, 6 km Entfernung der Wiesen, 3 km Entfernung von der Brennerei und die Unterhaltung
der weiten Verbindungswege.
Es wurden im ganzen 52 Siedlerstellen ausgelegt:
15 Bauernstellen zu je 15 ha,
16 Halbbauernstellen zu je 10 ha,
15 Arbeiterstellen zu je 1,5 bis 2 ha,
6 Handwerkerstellen zu je l bis 2 Hektar.
Die Ausbauten wurden wie folgt festgelegt:
l.Ostsiedelung mit 12 Halbbauernstellen, die 12 Apostel genannt,
2. Westsiedelung mit 2 Bauernstellen, 1 Arbeiterstelle, 4 Halbbauernstellen,
3. Südsiedelung mit 4 Bauernstellen (Vorwerk Mülchen),
4. Nordsiedelung -Namslauer Straße- mit 15 Arbeiterstellen.
In den Gutsgebäuden wurden 9 Bauernstellen ausgelegt und 6 Handwerkersstellen
untergebracht.
In 3 bis 4 Monaten sind sämtliche Bauten fertig, und schon am l.Juni ziehen die
ersten Siedler ein. Sie kommen größtenteils aus der Provinz, hauptsächlich
aus Oberschlesien, einer ist aus der Mark, einer aus Sachsen, einer aus Westpreußen;
7 Siedler sind aus dem Dorfe und zwar 3 Bauern, 1 Halbbauer, 2 Handwerker und 1 Arbeiterstelleninhaber.
Außer diesen planmäßigen Stellen wurden im Jahre 1931 durch Freikauf
von Waldack im Westen 4 Siedlerstellen mit 20 bis 56 Morgen errichtet; ihr Grund und
Boden ist Rodeland. Desgleichen kaufen sich 6 Siedler südlich von Groß-Marchwitz
an. Diese Stellen fallen aber nicht unter das Siedelungsgesetz. Sie haben ihre Gebäude
größtenteils aus Mitteln der Hauszinssteuer erbaut, haben keinen leichten
Stand, denn sie müssen den rohen Waldacker zu Kulturland machen. Sie kann man
"Siedler" im Sinne des Wortes mit Recht nennen.
Die Gemeinde kauft von der Gemeinnützigen Dt.Ansiedelungsbank den "Dust"
40 Morgen Kahlfläche an der Simmelwitzer Grenze, das anstoßende Feldgehölz,
15 Morgen zwanzigjähriger Kiefernbestand und 20 Morgen Acker für 2.650 RM.
Das Geld wird von der Kreiskommunalkasse als Darlehn mit Amortisation aufgenommen.
Von der Gemeinnützigen Dt.Ansiedelungsbank erhält die Gemeinde unentgeltlich:
1. den Sportplatz (100 mal 80 m), 2. das daranliegende 11 Morgen, abholzte Waldstück
(Babatz-Wald), 3. die etwa 8 Morgen große Babatz-Schonung am Mülchner Wege
(20jähriger Kiefernbestand), 4. die anschließende Kahlfläche,
12 Morgen groß als Sandgrube, 5. ein 2 Morgen großes Ackerstück als
Lehmgrube, 6. das alte Gesindehaus als Gemeindehaus zur Unterbringung der alten Gutsarbeiterfamilien
und 0,5 Morgen Acker als Hausgarten für die Familien.
Eine Erweiterung der Schule wird nicht vorgesehen. Das Landeskulturamt hält dem
Antrage des Verbandsvorstehers folgende Berechnung entgegen. 20 Feuerstellen mehr ergibt
20 mal l,7 Kinder, mithin 34 Kinder Mehrbelastung, ist für die Schule ohne Erweiterungsbau
tragbar. Ob der Maßstab des Landeskulturamtes haltbar ist, bleibt abzuwarten.
Die einzige Leistung ist die Lieferung von zwei Schulbänken, System Pädel,
im Werte von Einhundert Reichsmark,
Sämtliche Auen, Wege und Teiche gehen nunmehr in den Besitz der Gemeinde über,
womit die Gemeinde Unterhaltspflicht übernimmt. Dasselbe geschieht in der Gemeinde
Neu-Marchwitz. Auch sie erhält einen Turn- und Sportplatz für die Schule.
Die im Grundbuche zu Gunsten der kath.Kirche zu Namslau eingetragene Belastung "Trinitatiskapelle"
Jahresbetrag 80 RM wird abgelöst. Die Stiftung wurde durch einen Vorbesitzer ins
Leben gerufen, dessen Frau auf der Reise von Breslau an derselben Stelle entbinden
mußte und ein Gelübde getan hatte
Die gemäß Siedlungsgesetz ausgelegten 52 Siedlerstellen unterliegen völlig
den Bestimmungen des Gesetzes. Der Siedler muß deutschstämmig, reichstreu
und unbestraft sein. Er muß die Bauernfähigkeit nachweisen und bleibt nach
Unterzeichnung des "Recesses" mit allen Pflichten und Rechten auf seiner
Scholle. Die Pflichten bestehen in einer Anzahlung von etwa l/4 des Kaufwertes;
die restlichen 3/4 der Kaufsumme werden durch Reichskredit und Kredit der Gesellschaft
getragen, die durch die jährliche Rente verzinst und amortisiert werden.Die Renten
sind entsprechend der Bodengüte auferlegt und betragen durchschnittlich jährlich
etwa 20 RM für den Morgen. Jedenfalls sind die Bedingungen günstig und leicht
erfüllbar, besonders heute, wo wir die stabile Marktwährung haben
Einen Teil des Wirtschaftsinventars konnten die Neubauern aus dem Bestande des früheren
Dominiums preiswert kaufen. Den anderen Teil haben sie größtenteils als
zweite Bauernsöhne oder Bauerstöchter aus der väterlichen Wirtschaft
als Mitgift erhalten. Mit wenigen Ausnahmen stehen die Neubauern alle gut da, obgleich
der Anfang schwer war. Das schwere Hagelwetter am 22.Mai 1932 hatte die ganze Winterungs-
ernte vernichtet. Wenn auch die Siedlungsgesellschaft, welche für Versicherungsschutz
nicht gesorgt hatte , helfend eingriff, waren doch 2 schwere Jahre zu überwinden.
Drei Rentenfreijahre mußten den Neubauern und Landwirten eingeräumt werden.
Man hängt sie ja an die Rentenpflichtjahre an, sodaß die Rentenzahlungspflicht
im ganzen 59 Jahre beträgt, von denen 8 bereits verstrichen sind. In dieser Zeit
verwurzeln 2 Generationen mit der Scholle, und die Aufgabe des Siedlers, deutschen
Boden zu erhalten kann ihrer Erfüllung entgegensehen.
Oskar P r a s s e (Aus Grenzlandheimat, Beilage des Namslauer Stadtblattes - Otto,
Franz)
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