Hönigern (Miodary)

Ortsplan

"Schlesischer Sommertagsonntag in Hönigern" Erzählung von Johannes Grewe

Ansicht des früheren Bethauses nach Werner (1752)

evangelische Kirche in Hönigern

aus: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Namslau

150 Jahre evangelische Kirche Hönigern

Taufständer von 1786

Gutshaus

Entwurfzeichnung des neuen Pfarrhauses von Maurermeister Kricke 1850

Aus der Geschichte:

Kriegerisches Christfest in Hönigern Kreis Namslau im Jahre 1834



Nur wenige Bewohner des Kreises Namslau wissen noch, daß das in weißleuchtendem Fachwerkbau errichtete evanqelische Gotteshaus in Hönigern Krs. Namslau einmal Mittelpunkt ernster Auseinandersetzungen der königlich preußischen Staatsführung mit der evangelischen Kirchengemeinde Hönigern gewesen ist. Der preußische König Friedrich Wilhelm II. (1797 - 1840) hatte damals schlaflose Nächte, denn die Vorgänge in Hönigern am 24. Dezember 1834, die er gern ungeschehen gemacht hätte, waren durch die Auslandspresse, das „Tageblatt von New-Castle“ (England) bekannt geworden. In seiner Ausgabe vom 15. Januar 1835 berichtete das Blatt Wort für Wort aus den damals entstandenen „Akten über Hönigern“. Den preußischen König traf die ganze Geschichte besonders, weil nämlich die Kirche in Hönigern ein Geschenk seines Vorfahren, Friedrichs des Großen gewesen ist. Lassen wir diese kriegerische Weihnachtsgeschichte in unserer Erinnerung wieder wach werden.

Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon erfüllte ein allgemeines Sehnen die Deutschen nach einem „einig Deutschen Reich“. Friedrich Wilhelm II., König von
Preußen - selbst ein guter Christ - glaubte, dem politischen Einigungsstreben einen guten Dienst zu erweisen, wenn er auch auf evangelisch-kirchlichem Gebiet die Zusammenführung verschiedener auf lutherischem Bekenntnis stehender Glaubensgemeinden zu einer einheitlichen vereinigten „unierten“ evangelischen Landeskirche Preußens zusammenführte. Eine „neue Agende“ - Gottesdienstordnung - wurde erlassen, um damit die preußische evangelische Landeskirche zu schaffen. Es gab freudige Zustimmung bei vielen evangelischen Kirchengemeinden und Widerspruch und scharfe Ablehnung bei anderen, die - wie im Kirchenspiel Hönigern - ein Abgehen von der altlutherischen Form des Gottesdienstes mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren zu können glaubten.

Nach Konfiskation der Kirche in Hönigern durch die preußische Landeskirche erbauten die selbständig gebliebenen „Lutheraner“ ein neues, eigenes Gotteshaus - zuerst eine Notkirche - im Nachbarort Schwirz. Der Seelsorger der damaligen Kirchengemeinde Hönigern war Pastor Eduard Kellner. Er war nicht zu einem Aufgehen seiner Gemeinde in der unierten preußischen Landeskirche bereit, und seine Kirchenältesten und die Mehrzahl seiner Gemeindemitglieder des sich über zehn Dörfer erstreckenden Kirchenspiels standen hinter ihm. Gütliche Verhandlungen bei dem damaligen Landrat des Kreises Namslau, v. Ohlen, mit dem Breslauer Polizeipräsidenten, dem landes kirchlichem Kon- sistorium, dem herzoglichen Bevollmächtigten, Hofrat v. Siebel, vermochten die Haltung des Geistlichen nicht zu ändern. Die hohen Herren als Vertreter der preußischen Staatsregierung kamen mehrfach nach Hönigern, um von den Kirchenmitgliedern die Freigabe der Kirche und die Obergabe der Kirchenschlüssel zu erwirken. Das Gotteshaus wurde seit September 1834 Tag und Nacht von Gemeindemitgliedern bewacht, um eine unverhoffte Inbesitznahme zugunsten der unierten preußischen Landeskirche zu verhindern. In einer Bretterbude neben der Kirche wurde durch Frauen Verpflegung für den Wachdienst ausgegeben. Ein Warndienst war eingerichtet worden, um notfalls die ganze Gemeinde schnell auf die Beine zu bringen. Kampfstimmung lag in der Luft.
Herzog Eugen von Württemberg aus Carlsruhe, ein berühmter Feldherr der Befreiungskriege, versuchte durch gütliches Zureden vergebens in den Besitz des Kirchenschlüssels zu kommen. „So laßt sie doch versehentlich auf dem Hofe liegen“ schlug der verschmitzte Herzog vor. „Wenn ich sie zufällig finde und die Kirche aufschließe, ist das meine Sache“. Gütig, aber mit vollem Ernst stellte der sehr beliebte und verehrte Herzog den Bauern von Hönigern, unter ihnen der „Trompeten Hilmann“ und der „Samthosen-Hilmann“, die Folgen ihres Widerstandes vor Augen. Aber die Männer in ihren Kniehosen und blauen Sonntagsröcken verbeugten sich nur vor ihm bis zur Erde und die Frauen und Mädchen machten einen tiefen Knicks. Über diesen Ausdruck der Verehrung hinaus geschah nichts. Es war für den Herzog eben leichter, eine Schlacht zu gewinnen, als die dickschädeligen Hönigerner Bauern zu überzeugen.
Da machte die Staatsgewalt Ernst:- Pastor Kellner und seine acht Kirchendeputierten, darunter der wagemutige Altmüller Kabitz aus Städtel wurden verhaftet. Gewitterwolken zogen sich über Hönigern zusammen. Am Donnerstag, dem 18. Dezember 1834 war Landrat v. Ohlen mit dem neuen Pfarrverwalter Bauch von einer Audienz beim preußischen König in Berlin nach Namslau zurückgekehrt. „Militär wird eingesetzt werden“ tuschelte man im Dorf. In Berlin aber war man ratlos: Was sollte man gegen Männer, Frauen und Kinder tun, die Tag und Nacht vor dem Kirchenportal sitzen und die Kirche bewachen? Ja, wenn es Umstürzler und politische Revolutionäre gewesen wären - aber dieser passive Widerstand der als besonders königstreu bekannten Bürger von Hönigern

Schließlich setzte der König mürrisch und widerwillig seine Unterschrift unter den Marschbefehl des Militärs, wozu ihm der Minister Altenstein dringend geraten hatte. In einer Sitzung im Landratsamt in Namslau am Sonntag, dem 20. Dezember 1834, unter Vorsitz von Landrat v. Ohlen wurde über die Audienz beim König berichtet und mitgeteilt, daß das Militär bereitgestellt sei. Erbscholze Müller erklärte daraufhin im Namen aller Gerichtsscholzen: „Drohungen können uns nicht einschüchtern. Das Militär wird keine körperliche Gegenwehr bei uns finden.“

Am Montag, dem 22. Dezember 1834, wehte ein eisiger Wind; es schneite stark. In der Brauerei Hönigern war hoher Besuch: Der kgl. Polizeirat, der kgl. Konsistorialrat und der kgl. Landrat hatten sich eingefunden. Sie richteten eine letzte Aufforderung an die Gemeinde die Kirche zu übergeben. Die Aufforderung wurde durch eine „Allerhöchste Kabinetts-Resolution“, die zur Kundgabe an alle Bürger angeschlagen worden war, unterstrichen. Dem Hillmann-Scholzen aus Hönigern wurde ein königliches Handschreiben mit der Aufforderung zur Kirchenübergabe überreicht. Die Bauern von Hönigern lehnten ab.

Am Dienstag, dem 23. Dezember 1834, vormittags um 10 Uhr, fand auf dem Dorfplatz von Minkowski (Seydlitzruh) ein Appell zweier Kompanien des 2. Schlesischen Grenadier-Regiments No. 11 statt, die in Marsch gesetzt wurden. Um 12 Uhr ertönte in Hönigern Marschmusik. 400 Infantristen, eine Eskadron Breslauer Kürassiere und eine Eskadron Ohlauer Husaren trafen ein und nahmen in Hönigern Quartier.
Die Soldaten machten große Augen wegen der freundlichen Aufnahme durch die Quartierwirte. Diese freundlichen Bauern und Handwerker sollten Aufrührer sein?
Ruhig ging alles schlafen. Vor der Kirchentür wanderten die wachhabenden Bewohner von Hönigern auf und ab, wechseln sich ab und stärken sich durch heißen Tee in der Bretterbude. Leichte Schneeflocken fielen tänzelnd durch die frostklirrende Nacht auf das friedlich schlafende Dorf herab.
Aber um 4.30 Uhr, am 24. Dezember 1834 unterbrechen Alarmsignale die Stille des Weihnachts- friedens. Der Sturm bricht los. über ihn berichtet die erwähnte englische Zeitung wie folgt:
„Auf dem Kirchplatz in Hönigern vor der schönen alten lutherischen Fachwerkkirche, einer Stiftung des Königs Friedrich des Zweiten aus dem Jahr 1744 steht festlich geputzt ein beträchtlicher Teil der Gemeinde. Von Zeit zu Zeit ertönt ein geistliches Lied. Männer und Frauen, letztere in ihren weitgesteiften Röcken, warmen Winterjacken und künstlerisch bunt gestickten Kopftüchern. Doch die Stille wird unterbrochen! Aus den umliegenden Feldern und Gärten, hinter Hecken und Zäunen wird es lebendig. Vier Kompanien preußischer Soldaten stürmen im Laufschritt von allen Seiten über den stillen Friedhof auf die Kirche zu. Man schlägt mit dem Kolben auf die Wehrlosen ein. Die andächtige Menge wehrt sich nicht. Die Bedrängten eilen auf die Dorfstraße zurück, um sich nach Hause zu begeben. Viele sind aus den Nachbardörfern gekommen. Aber man läßt sie nicht ungerupft zurückkehren. Zwei Einheiten preußischerHusaren und Kürassiere jagen den Flüchtenden nach. Es ertönt ein Schuß; man sagt er sei aus Versehen losgegangen. Die Kaffeebaracke steht in Flammen. Es hat Verwundete gegeben. Andere Dorfbewohner helfen ihnen. Die Menge verkrümelt sich. Der Erdboden ist mit Kleidungsfetzen, Zopfschleifen und Gesangbüchern bedeckt.
Und während wilder Schlachtenlärm die Kirche von Hönigern umtost, läuten die Glocken der Kirchen in den umliegenden Dörfern den heiligen Weihnachts -abend ein.“
Unbemerkt hatte der „Trompeten-Hillmann“ den Zwiebelturm der Kirche von Hönigern erklimmen können. Mit lauten Trompetenstößen blies er die erste Strophe des Lutherliedes „Eine feste Burg ist unser Gott“. Da fiel vom Dorf her der Kavallerietrompeter in das Lied ein und beide bliesen gemeinsam die zweite Strophe. Die Kirche wurde gewaltsam geöffnet und in Besitz genommen. Die Staatsführung hatte gesiegt. Aber das Echo des übereilten Schrittes eines preußischen Ministers waren diplomatische Schritte des britischen Botschafters in Berlin, eine Anfrage der dänischen Regierung und eine Protestnote der sächsischen Regierung sowie zahlreiche Protestschreiben maßgeblicher kirchlicher Persönlichkeiten. Der preußische Kronprinz mahnt in tiefem Ernst zu Frieden und Ausgleich. Später beendete er als König Friedrich Wilhelm IV. am 23. Juli 1845, den mehr als zehnjährigen Streit um die Kirche in Hönigern. Sein königlicher Erlaß bestätigte den Altlutheranern in Hönigern die eigenkirchliche Freiheit und Selbständigkeit.
Arthur Kalkbrenner